© Scotty Paterson
REDAKTION: Hanna Lechner; FOTOS: Alex Schmidt, Scotty Paterson, Johannes Zangerl
Johannes Zangerl ist ein begeisterter Basejumper aus Innsbruck. Welche Gedanken ihm beim Wegspringen durch den Kopf gehen, wie es sich anfühlt, so lange im freien Fall zu sein und worauf es beim Basejumping ankommt erzählt uns der gebürtige Innsbrucker persönlich im Interview.
Was geht dir durch den Kopf, bevor du dich den Berg hinunterstürzt?
Johannes: Hinunterstürzen klingt ziemlich dramatisch, vielmehr handelt es sich dabei um einen sehr bewussten und sehr kontrollierten Absprung. Direkt vor dem Wegspringen habe ich eigentlich einen sehr freien Kopf. Alle Entscheidungen, die zum Sprung führen – sei es Absprungstelle, Wetterverhältnisse, Material, usw. – sind bereits getroffen und ich kann mich ganz auf den Moment konzentrieren. Mit meinem inneren Auge stelle ich mir vor was passieren wird, ich antizipiere meine Startphase und die Linie, die ich fliegen will. Dann schließe ich die Reißverschlüsse von meinen Armflügeln, spüre die Sonne auf meiner Haut und fühle und höre nur noch den Wind. Wenn alles passt lehne ich mich nach vorne und springe ab. Dieser Moment ist wirklich unbeschreiblich. Auch nach hunderten von Sprüngen lässt dieses intensive Gefühl des Loslassens nicht nach.
Wie wichtig ist die Vorbereitungsphase?
Johannes: Vorbereitung, Risk Management und Selbsteinschätzung sind das A und O bei dieser Aktivität. Es fängt bereits Zuhause vor dem Computer mit dem Studieren von Wetterstationen, topografischen Karten, GPS-Tracks vorheriger Sprünge und Startkurven an. Je besser mein Verständnis von dem Gelände und örtlichen Wetterbedingungen im Vorhinein schon ist, desto leichter kann ich dann am Berg Absprungstellen und mögliche Linien identifizieren und Entscheidungen treffen. Das wichtigste ist jedoch, seine eigenen Fähigkeiten ehrlich einschätzen zu können. Es nützt mir nichts zu wissen, dass bereits jemand von diesem Berg gesprungen ist oder dass ich schon vor einigen Jahren einen anspruchsvollen Sprung gemacht habe. Ich muss mir zu 100% sicher sein, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt diesen Sprung und Flug sicher machen kann. Dein innerer „Schweinehund“ probiert dich ständig zu verleiten, den gilt es im Griff zu haben.
Wie fühlt es sich an, im freien Fall zu sein? Und wie schaffst du es im freien Fall noch die Konzentration zu bewahren?
Johannes: Mit dem Wingsuit einen Hang entlang zu fliegen ist die Art mit der man als Mensch dem Vogelflug am Nächsten kommt. Man steuert keine Maschine und kein Fluggerät mehr. Meine Arme und Beine begrenzen meine Flügel. Ich spüre jede kleinste Veränderung in der Luft, Geschwindigkeit und Lage. Es steuert sich so spielerisch leicht und intuitiv, dass ich meine ganze Aufmerksamkeit meiner Linie widmen kann. Wingsuit-Fliegen ist dem Freeriden im Pulverschnee sehr ähnlich. Beim Skifahren denkt man auch über nichts als das Skifahren nach, aaaber beim Fliegen mit dem Wingsuit ist es vollkommen egal, wie viele Spuren schon im Schnee sind.
Was war die erste Reaktion deiner Familie und Freunde als du mit dem Basejumping begonnen hast?
Johannes: Deren Reaktionen sind und waren sehr unterschiedlich. Für mich nicht immer ganz nachvollziehbar. Laien haben natürlich nur sehr wenig Einsicht und Berührungspunkte mit der Thematik und hören nur davon, wenn wieder etwas passiert ist. Ich bin immer noch der Meinung, dass ich mich sehr sicher und innerhalb meiner Fähigkeiten bewegt habe. Beim Bergsteigen, Klettern, auf Skitouren etc. setzt man sich teilweise einem sehr hohen Risiko aus, ohne davon zu wissen (Steinschlag, Lawinen, Gletscher, usw.). Beim Basejumpen hingegen kann ich objektive Gefahren genau bestimmen. Das größte Risiko ist man seiner selbst bzw. sein eigener Schweinehund. Diese Aktivität unterscheidet sich natürlich sehr stark von anderen Sportarten und zieht von Haus aus sehr risikobereite Personen an. Ich sehe darin die Ursache der vielen Unfälle.
Ist schon einmal etwas nicht so gelaufen wie geplant und wie gehst du damit um?
Johannes: Auch beim Basejumping macht man, wie bei allen Sportarten, Fehler. Es gibt welche, die darf man sich erlauben und manche dürfen einfach nicht passieren. Wingsuit-Fliegen ist die schnellste unmotorisierte Sportart und deshalb bleibt meist nicht viel Zeit wenn etwas Ungeplantes passiert. Ich kann mir aber mehr Zeit verschaffen, indem ich mir mehr Höhe und Distanz zu Objekten gebe. Vor allem am Ende von unserem Flug, wenn wir unseren Schirm öffnen passiert immer wieder etwas „Unvorhergesehenes“. Ich habe hundertprozentiges Vertrauen, dass sich mein Fallschirm öffnet, aber ich rechne auch bei jeder Öffnung mit einer sogenannten Fehlöffnung. Je mehr Höhe ich für die Schirmöffnung einplane, desto mehr Zeit habe ich, um mit der Situation fertigzuwerden. So etwas passiert hin und wieder. Ich konnte immer intuitiv ohne Nachdenken auf solche Probleme reagieren und musste nie lange überlegen. Da zahlt sich Vorbereitung, Training und theoretisches Wissen aus.
Was war bisher der spektakulärste Flug?
Johannes: Der für mich eindrucksvollste Sprung war der vermutlich erste Wingsuit-Flug von der Punta Penia an der Südseite der Marmolata im Sonnentuntergangslicht gemeinsam mit meinem Freund Peter Salzmann.
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Mehr InformationenVideos von Johannes‘ Flügen findest du hier:
- Spines, Gullies and Spires | Best of Wingsuit Lines | Joggl (youtube.com)
- Track The Crack | Onesie Power 20 | Joggl (youtube.com)
- Onesie Power 3way of Ted Exit | Monte Agner (youtube.com)
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Über die Autorin
Hanna Lechner ist Praktikantin bei der TIROLERIN. Sie liebt es, sich kreativ auszuleben, sei es beim Schreiben, Musizieren oder Zeichnen. Ihre Abenteuerlust lockt sie oft für spontane, teils auch mehrmonatige Reisen ins Ausland – und zwar am liebsten nach Bella Italia. Zu ihren Stärken zählen definitiv ihr Optimismus und ihre Begeisterung für Neues.