Bunt, bunter, Tina Hötzendorfer
Tina Hötzendorfer erzählt von ihrer inspirierenden Geschichte und wie sie ihre kreative Ader entdeckt hat.
© Martin Vandory
Sie ist Mama, Künstlerin und Unternehmerin: Tina Hötzendorfer hat das Leben auch von seinen Schattenseiten kennengelernt – und macht mit ihrer Kunst all jenen Mut, die es erst wieder lieben lernen müssen.
Es war der 3. Februar 2008. Ein Tag wie viele andere – und gleichzeitig jener, der ihr Leben für immer verändern sollte. Beim Snowboarden stürzt Tina Hötzendorfer auf ihren Nacken, liegt im nächsten Moment völlig regungs- und gefühllos im Schnee. Sie spürt die Eiskristalle, die der Rettungshubschrauber in ihr Gesicht weht. Auf der Intensivstation in der Klinik Innsbruck dann die Diagnose: Querschnittslähmung, verursacht durch einen Trümmerbruch des sechsten Halswirbels. Seitdem sitzt Tina im Rollstuhl, kann ihre Finger nicht bewegen, ihre Arme nur eingeschränkt, und ist im Alltag auf Hilfe angewiesen. Doch: Es ist nicht ihre Behinderung, um die es hier gehen soll, denn es ist so viel mehr, was die 37-Jährige ausmacht. Ihre Kunst zum Beispiel – und zwar sowohl jene, die tagtäglich in ihrem Atelier in St. Johann entsteht, als auch die Kunst, ihren Optimismus und ihre Positivität niemals verloren zu haben.
Aus Tirol in die Welt.
Unter dem Motto „Lebe lieber kunterbunt“ möchte Tina Hötzendorfer mit ihren Produkten samt all den verspielten Bildern und farbenfrohen Motiven die Welt zu einem fröhlicheren Ort machen. Und zu einem Ort, an dem kein Platz ist für Ausgrenzung, Vorurteile und Diskriminierung. „Es sind oft Kleinigkeiten, scheinbar banale Aussagen, die einen verletzen, die jemand tätigt, ohne vorher groß nachzudenken. Oft ist es auch so, dass Menschen mit Behinderung keine Leistung zugetraut wird.“ Mit ihrem Unternehmen „Rollin’Art“ beweist Tina Hötzendorfer jedoch schon seit über neun Jahren das Gegenteil: Mittlerweile beschäftigt sie zwölf Mitarbeiter:innen, mehr als 400 Produkte zählt ihr Sortiment. Rund 15.000 Pakete werden im Jahr europaweit versandt und landen mitunter an Orten, an die Tina Hötzendorfer sie gerne persönlich ausliefern würde: „Von Paris bis Athen ist alles dabei, aber auch Bilder von unseren Produkten in Australien oder den USA sind mir schon untergekommen.“
Kreative Ader.
Auch sie selbst hat schon so einiges von der Welt gesehen, hat nach der Matura ihren Rucksack gepackt und ist auf Weltreise gegangen. Die Eindrücke aus Indien, Nepal oder Malaysia verarbeitet Tina noch heute in ihrer Kunst, der Glückselefant beispielsweise ist eines ihrer Lieblingsmotive und war das erste, was sie nach ihrem Unfall zu Papier brachte. Zuvor hatte die Kunst noch keine große Rolle in Tinas Leben gespielt. Kreativ sei sie zwar schon immer gewesen, wie sie erzählt, doch das Bedürfnis, zu malen, habe sie erstmals in der tristen Umgebung der Intensivstation verspürt, woraufhin sie von ihrem Papa Fingerfarben und einen Block bekam.
Wieder aufstehen.
Nach der Reha in Bad Häring begann schließlich Tinas „Selbstfindungsprozess“, wie sie ihn heute nennt. Mit ihm kam auch die Erkenntnis, dass das Leben trotz allem bunt und fröhlich sein kann und noch unglaublich viel Schönes für sie bereithält. Mit der Zeit verbrachte die St. Johannerin immer mehr Stunden mit ihrer neu entdeckten Leidenschaft, eignete sich verschiedene Techniken an und durfte sich über immer mehr Zuspruch freuen. Im Oktober 2011 war Tinas erste Ausstellung ein voller Erfolg, ihre Kunstwerke waren binnen kürzester Zeit ausverkauft. Noch am selben Abend entwarf sie ihr Logo – einen Pinsel im Rollstuhl – und Rollin’Art war geboren.
Tina hötzendorfer in Einer farbenfrohe Welt.
Was folgte, waren Ausstellungen im In- und Ausland, unter anderem in New York, Paris und London. Einen großen Traum erfüllte Tina sich schließlich mit ihrer eigenen Rollin’Art Gallery. Neben ihren Bildern gibt es auch Schönes für Zuhause, Mode, Kunsthandwerk und Geschenkartikel zu sehen und zu kaufen gibt. Ein Stockwerk tiefer laufen die Druckerpressen heiß, Vorlagen werden platziert und Pakete verpackt. Um all die Motive ganz ohne Fingerfunktion malen zu können, hat sich Tina im Laufe der Jahre eine eigene Technik angeeignet. Hierfür klemmt sie sich den Stift oder Pinsel zwischen die Finger und malt mit zwei Händen. Woher die Inspiration dafür kommt? „Größtenteils aus der Natur, die mich in all ihrer Schönheit und ihrem Facettenreichtum fasziniert. Auch der Buddhismus ist eine Inspirationsquelle für mich, genauso wie das Reisen. Im Alltag liebe ich es ganz einfach, auf kleine Details zu achten, die das Leben so besonders machen“.
Positive Energie.
Stichwort Alltag – der ist bei Tina aktuell ziemlich turbulent. Neben ihrem Unternehmen und all den damit verbundenen Plänen hält sie nämlich auch ihr eineinhalbjähriger Sohn ganz schön auf Trab. „So ein kleiner Mensch lässt dich die Welt noch einmal aus ganz anderen Augen sehen und gleichzeitig geerdeter werden.“ Klar ist auch, dass ohne die große Unterstützung der Familie all dies nicht möglich gewesen wäre. Trotzdem gilt es, Prioritäten zu setzen und zu akzeptieren, wenn man sich zu viel vorgenommen hat. Dass schlechte Zeiten vorübergehen und irgendwann wieder die Sonne scheint, möchte Tina auch ihren über 18.000 Follower:innen auf Instagram mitgeben. Mutig zu sein, im Moment zu leben und den Fokus auf das Positive zu richten. Denn wie heißt es so schön? Das Glück ist ein Vogerl. Oder eben ein Elefant.