Künstlerin Hannah Scheiber im Interview

Künstlerin Hannah Scheiber im Interview

Die Ötztaler Künstlerin Hannah Scheiber über Kunst als Weg zur Selbstwirksamkeit, die Kraft der Natur und gesellschaftliche Verantwortung.

5 Min.

© Anja Ruetz

Hannah Philomena Scheiber stammt aus dem Tiroler Bergdorf Obergurgl und hat sich von dort aus in die internationale Kunstwelt katapultiert. Mit Studien in Wien, Florenz und New York sowie bedeutenden Ausstellungen, wie zuletzt ihrer Solo-Schau „Ultra Mare“ im Bank Austria Kunstforum in Wien, gehört sie heute zur Spitze einer neuen Generation von Künstlerinnen.

Ihre Werke berühren, polarisieren und sind tief im Zusammenspiel von Mensch und Natur verwurzelt. Scheiber setzt sich nicht nur für ihre Heimat ein, sondern will als Künstlerin und Mutter auch weibliche Vorbilder schaffen. Wir sprachen mit ihr über ihre Karriere, ihre Botschaften und ihre Visionen.

Vor kurzem hatten Sie Ihre Solo-Ausstellung „Ultra Mare“ im Bank Austria Kunstforum Wien. Was bedeutet Ihnen dieser Meilenstein?

Hannah Scheiber: Das war ein ganz besonderes Ereignis für mich, neben meiner Teilnahme an der Art Basel Miami 2018 sicherlich der größte Meilenstein. Ich komme aus einem kleinen Bergdorf in Tirol und habe nie erwartet, dass über 250 Menschen anreisen würden, um diesen Moment mit mir zu feiern. Besonders berührte mich die Bemerkung „Wo sie ist, wo sie wirkt, ist Schönheit“ – spätestens da flossen bei mir die Freudentränen. Ein großer Dank gilt meinen langjährigen Wegbegleiter:innen und der Band „CHVONCÈ“, die den Abend und die Ausstellung zu einem Gesamtkunstwerk vollendet haben. 

Sie haben an renommierten Kunstakademien in Wien, Florenz und New York studiert. Wie haben diese Erfahrungen Ihre Kunst geprägt?

Ich wusste schon im Kindergarten, dass ich Künstlerin werden möchte. Mit 19 ging ich nach Wien und bewarb mich an der Akademie – ohne Plan B und mit nichts außer einer Mülltonne als Mappe voller Zeichnungen und einem Essay über Kippenberger. Die „Angewandte“ und Sätze wie „Jedes Kunstwerk ist eine Zumutung“ formten mein Denken. Auslandserfahrungen, vor allem in Indien und Australien, haben mich sehr geprägt. Florenz brachte mir die altmeisterliche Technik näher, während ich in New York lernte, wie wichtig Offenheit und Freude am Schaffen sind.

Wo sie wirkt, ist Schönheit.

Hannah Scheiber

Wie würden Sie jemandem Ihre Kunst beschreiben, der Sie noch nicht kennt?

Ich teile meine Arbeit in drei Bereiche auf: Die freie künstlerische Arbeit, Kunst im öffentlichen Raum – etwa Wandgestaltungen – und die Auftragsmalerei, die ich zunehmend reduziere. Meinen Werken liegt immer ein Konzept zugrunde, bevor das Medium in den Vordergrund tritt. Ich und meine Kunst stehen für Selbstwirksamkeit: Ich möchte Dinge nicht nur so machen, weil „sie immer so gemacht wurden.“ Im Bereich der Selbstvermarktung kann man tatsächlich von einem Paradigmenwechsel sprechen. Mentor:innen waren dabei für mich mein Prof. Dr. Peter Stoeckl sowie Magnus Resch, aber auch Künstler:innen wie Leon Löwentraut, Iris Marisa Neuner oder Paul Schrader.

Welche Rolle spielt Ihre Tiroler Heimat in Ihrer Kunst?

Eine entscheidende. Ich denke, dass mir das Aufwachsen am Bauernhof eine besondere Perspektive auf die Natur und die Vergänglichkeit der alpinen Landschaft gab. Themen wie „Das Schöne, das Wahre, das Gute“ sowie das Zusammenspiel von Licht und Schatten begleiten mich deswegen in meinen Werken. Die Natur erdet mich und erinnert mich an den ständigen Kreislauf von Leben und Vergänglichkeit.

Kunst von Hannah Scheiber aus Tirol
© Anja Ruetz

Die Themen Natur und Vergänglichkeit durchziehen Ihre Werke. Welche Verantwortung trägt Kunst für den Umweltschutz?

Die Sprache der Bilder erreicht das Unterbewusstsein und wirkt dort, wo Verdrängungsmechanismen versagen. Die Kunst kann so helfen, Perspektiven zu verändern und Bewusstsein für Umweltthemen zu schaffen. Für mich steht immer die Balance zwischen Risiko und Chance im Fokus. Ich sehe Kunst als Werkzeug, um Betrachter:innen zu bewegen und Hoffnung zu schaffen.

Sie erwähnten, dass Ihnen als junger Frau weibliche Vorbilder fehlten. Welche Botschaft möchten Sie jungen Künstlerinnen mitgeben?

Es war mir immer wichtig, die Dinge auf meine Weise und mit meiner femininen Kraft zu gestalten. Ich wünsche mir, dass mehr Frauen ihren eigenen Weg gehen und sich trauen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Meine Großmutter, eine weltoffene Feministin, bevor es den Begriff überhaupt gab, war dabei mein Vorbild. Heute sage ich jungen Künstlerinnen: „Vertraut auf eure Leidenschaft, euren Durchhaltewillen und den Glauben an euch selbst. Sucht euch Unterstützung, wo nötig, und haltet euch an Menschen, die euch guttun.“ Begriffe wie „Powerfrauen“ sollten wir dabei übrigens aus unserem Sprachgebrauch streichen. Die Kraft und die Arbeit von Frauen – egal ob im Beruf, privat oder Ehrenamt – wird oft nicht als „echte“ Leistung gesehen, sondern als Selbstverständlichkeit. Die Power der Frauen sollte wahrgenommen werden als das, was sie ist: als ein Massenphänomen, keine Ausnahmeerscheinung.

Auf welche zukünftigen Projekte darf man sich freuen?

Für 2025 steht eine Professur in Kunst und Gestaltung an, auf die ich mich sehr freue. Mein Ziel ist es, auch weiterhin Projekte zu verfolgen, die im Einklang mit meinen Werten stehen. Ansonsten lasse ich die Dinge auf mich zukommen und bleibe tief verwurzelt im Geäder der Alpen.

TIPP:

Katalog zur Ausstellung „ULTRA MARE“ €67,- (168 Seiten) exklusive Einblicke in das künstlerische Schaffen mit der ARTIVIVE APP limitierte Auflage, jedes Buch ist ein Unikat, bestellbar auf www.studioscheiber.com/invest

Katalog zur Ausstellung „ULTRA MARE“ €67,- (168 Seiten) exklusive Einblicke in das künstlerische Schaffen mit der ARTIVIVE APP limitierte Auflage, jedes Buch ist ein Unikat.
© Anja Ruetz
Hannah Scheiber mit LH Anton Mattle
© Anja Ruetz

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