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Licht macht uns glücklich oder traurig, nervös oder ruhig. Es kann schmeicheln, blenden und sogar verletzen. Für Pflanzen ist es überlebenswichtig, und auch der menschliche Körper reagiert empfindlich auf Licht – selbst, wenn er kein Chlorophyll besitzt. Dass wir Lichtwesen sind, ist demnach keineswegs eine rein esoterische Interpretation. Denn praktisch all unsere Körperfunktionen stehen auf die eine oder andere Weise mit Licht in Verbindung.
Durchdringende Wirkung
Wenn wir in die Sonne gehen, verfärbt sich unsere Haut dunkel – schon diese Reaktion zeigt, wie intensiv die Wirkung von Licht auf unseren Körper ist. Doch auch unter der Oberfläche werden dadurch jede Menge lebenswichtige Prozesse angestoßen. Einer davon ist die Vitamin-D-Produktion. Etwa eine Viertelstunde Sonnenlicht braucht der Mensch pro Tag, um das essenzielle Vitamin ausreichend bilden zu können. Vor allem bei Kindern kann ein Vitamin-D-Mangel in Entwicklungsstörungen oder gar Rachitis resultieren – einer Krankheit, die sich unter anderem in Form von Knochendeformierungen und Zahnschmelzdefekten bemerkbar macht.
Bei Erwachsenen sind die Symptome etwas diffuser; hier kann sich ein Mangel etwa in Form von erhöhter Infektanfälligkeit, Muskelschmerzen, verringerter Leistungsfähigkeit oder Haarausfall äußern. Einige Studien deuten darauf hin, dass Lichtmangel sogar an der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Demenz beteiligt sein könnte. Und auch der Verlauf von Multipler Sklerose kann durch UV-Lichtmangel negativ beeinflusst werden: So treten die Schübe besonders häufig zu Beginn des Frühjahrs – also nach der geringen UV-Strahlung im Winter – und besonders selten im Herbst auf, so das Ergebnis einer groß angelegten Studie australischer Forscher:innen.
Aber Sonnen ist doch böse. Oder?
Gleichzeitig haben wir von klein auf gelernt – und werden auch im Erwachsenenalter noch oft genug darauf hingewiesen –, dass Sonnenlicht böse sei und man sich davor schützen müsse. Wer am Strand eingeölt in der Sonne brutzelt, erntet mittlerweile abschätzige Blicke – und während Solariumsbesuche vor einigen Jahren noch eine gesellschaftlich anerkannte Gruppenaktivität waren, schleichen sich die letzten verbliebenen Sonnenbankanhänger:innen heute möglichst unbemerkt ins Studio. Immerhin verursacht die UV-Strahlung Falten, Pigmentflecken und schlimmstenfalls Hautkrebs. Ja, Licht hat eben auch seine Schattenseiten. Doch wie so oft macht die Dosis das Gift. In der richtigen Menge hält uns Licht gesund und aktiv, kann positiv auf den Blutdruck wirken und begünstigt den Abbau von Stresshormonen. Nicht umsonst besitzen wir mit etwa zwei Quadratmeter Hautfläche ein regelrechtes Sonnensegel, um die Kraft des Lichts zu tanken.
Stimmungsaufheller licht
Neben den körperlichen Faktoren hat Licht auch auf die Psyche einen entscheidenden Einfluss. An grauen, dunklen Tagen fühlen wir uns oft kraftlos und melancholisch, während ein sonniger Morgen unseren Tatendrang erst so richtig ankurbelt. Die saisonale Depression, gemeinhin auch als Winterblues bekannt, ist mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen. Allerdings ist dieser Begriff nicht zwangsläufig als klinische Depression zu verstehen, sondern bezeichnet in der Regel eine temporäre Befindlichkeitsstörung. Kaltes und dunkles Wetter macht müde und schlapp – doch warum eigentlich?
Dunkelheit schlägt aufs Gemüt
Für die winterlichen Verstimmungen ist unter anderem das Schlafhormon Melatonin verantwortlich. In einer dunklen Umgebung wird dessen Produktion stimuliert, bei Helligkeit wird sie gedrosselt (deshalb tapsen wir nachts auch am liebsten im Dunklen in Richtung Toilette). Kein Wunder also, dass wir im Winter am liebsten schon um zehn im Bett liegen und nur mehr nach draußen gehen, wenn es wirklich sein muss. Während einige von uns diesen Zustand gerne auskosten und es genießen, sich gemütlich daheim einzumummeln, leiden andere regelrecht unter diesem Zustand. Was aber hilft nun wirklich gegen den Winterblues?
Auf dem Schirm
Regelmäßige Spaziergänge oder Laufrunden sind die wohl gesündeste Art, um sich seine nötige Dosis Licht „abzuholen“, denn die Bewegung wirkt sich zusätzlich positiv auf Körper und Psyche aus. Als Ergänzung – oder Alternative für all jene, nicht so viel nach draußen gehen können oder möchten, – empfehlen sich spezielle Tageslichtlampen: Sie imitieren das Spektrum der Sonne und täuschen dem Körper damit sozusagen vor, dass es heller Tag ist und der Melatoninspiegel gering gehalten werden muss. Obwohl sie die Sonne nicht gänzlich ersetzen kann, hat die Lichttherapie im Vergleich zu medikamentösen Behandlungen kaum Nebenwirkungen und ist daher für fast jede:n geeignet. Weil Lichtmangel aber nur einer von vielen Gründen für depressive Verstimmungen sein kann, sollten Sie vor Therapiebeginn unbedingt ärztlichen Rat suchen und sicherstellen, dass der Symptomatik keine anderen Krankheiten zugrunde liegen.
Lösung aus der Steckdose
Um einen optimalen Effekt zu erzielen, sollte die Tageslichtampe mindestens 2.500 bis 10.000 Lux Helligkeit haben und täglich etwa eine halbe Stunde genutzt werden. Die Tageszeit für die Lichttherapie kann individuell gewählt werden. Viele Menschen fühlen sich aufgrund des anregenden Effekts in der Früh am wohlsten damit, beispielsweise während des Frühstücks. Wer unter Schlafstörungen leidet, sollte jedenfalls lieber eine frühere Tageszeit wählen, um die körpereigene Melatoninproduktion nicht durcheinanderzubringen. Nach wenigen Tagen sollte sich bereits eine positive Wirkung einstellen – die Stimmung verbessert sich und die Energie kehrt zurück. Die volle Wirkung erreicht die Lichttherapie nach etwa zwei Wochen regelmäßiger Anwendung.
Ersatzprogramm
Zum Ausgleich des winterlichen Vitamin-D-Mangels können Tageslichtlampen mangels UV-Strahlen allerdings nicht beitragen. Und auch die täglichen 15 Minuten Sonnenspaziergang reichen oftmals nicht aus. Dauerhafte Abhilfe können hier nur Substitute in Kapselform und/oder eine angepasste Ernährungsweise schaffen. Fettige Fische wie Hering, Sardinen und Lachs etwa sind reich an Vitamin D, ebenso bestimmte Fruchtsorten wie Avocado, Milch, Butter oder Eier. Solariumsbesuche eignen sich übrigens nur bedingt zum Ankurbeln der Vitamin-D-Produktion, denn sie arbeiten meist mit zu wenig UVB-Strahlen, dafür aber mit umso mehr langwelligen, hautkrebsfördernden UVA-Strahlen. Die Effekte sind hier also langfristig eher kontraproduktiv.
Farbspektrum
Neben der Intensität begründet auch die Lichtfarbe erstaunliche Unterschiede in ihrer Wirkung. Warmes Licht mit einem hohen Gelb- beziehungsweise Orangeanteil etwa wirkt beruhigend und dämpfend, während kaltes Licht mit bläulichen Untertönen – Bildschirmlicht etwa – den:die Betrachter:in ermuntert und belebt (daher sollten wir Smartphone, Tablet und Fernseher aus dem Schlafzimmer verbannen). Aufgrund seines stimulierenden Effekts wird kaltes Licht in der Lichttherapie gegen depressive Verstimmungen eingesetzt.
Erstaunlicher Effekt
Welche biologische und psychologische Wirkung Licht auf Menschen in besonders kritischem Gesundheitszustand hat, erforschte die Berliner Charité vor einigen Jahren im Rahmen des Projekts „Parametrische (T) Raumgestaltung“. Im Regelfall sind Patient:innen auf der Intensivstation oft wochenlang künstlichem Licht ausgesetzt, wodurch die innere Uhr aus dem Gleichgewicht geraten und Schlafprobleme verursacht werden können. Im Rahmen des Experiments wurden einige Krankenzimmer mit speziellen biodynamischen Leuchten an der Decke ausgestattet, die den Tageslichtverlauf simulieren. Die Technologie bewährte sich: Die Patient:innen schliefen schneller ein, länger durch und benötigten teilweise sogar weniger Schmerzmittel.
Überirdischer Lichtspender
Der heilsame Effekt des Lichts war übrigens schon im alten Rom bekannt. Apollo etwa wurde nachgesagt, er habe jeden Morgen seinen Sonnenwagen bestiegen und sei mit seinen vier Feuerpferden den Himmel entlanggefahren, um den Menschen Licht zu spenden. Anders war der Lauf der Sonne damals nicht zu erklären. Und in dieser romantischen Vorstellung flammte bereits ein Funken Wissenschaft auf. Apollo war nämlich nicht nur Gott des Frühlings und des Lichts, sondern auch der Heilkunst – und wurde sogar in der Ursprungsfassung des hippokratischen Eids angerufen.
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