Die Kunst des Gasgebens

Die Kunst des Gastgebens: Wie wir unsere Gäste glücklich machen

Kommunikationsexpertin Katerina Vetter Kapagiannidou im Interview

11 Min.

© EMF/Grit Siwonia, Schorfheide/Brandenburg

Genuss, Ästhetik und Ambiente: Wie die Kunst des Gastgebens dank kreativer Rezepte und durchdachter Planung zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle Gäste wird.

die neue gastlichkeit

Lange war Gastlichkeit eine Kunst für sich, jetzt ist sie eine für alle. Für die Familie oder die Kolleg:innen, eine für Freund:innen oder ganze Gesellschaften, für die Kinder oder den:die Partner:in. Die Zeiten haben sich geändert: Bei der Gastlichkeit geht es längst nicht mehr nur um makellose Etikette und herausfordernde Zubereitungsverfahren.

das handbuch für glückliche gäste

Wer gerne Gastgeber:in ist, steht heutzutage vor ganz anderen Fragen, die – natürlich nicht nur, aber gerade rund um die Feiertage – beantwortet werden wollen. Welcher Wein passt zum Essen? Welche Dekoration schmückt den Tisch am besten? Wie kreiert man die perfekte Atmosphäre? Genau diesen Fragen widmet sich Kommunikationsexpertin Katerina Vetter Kapagiannidou in ihrem Buch „Was Gäste glücklich macht – Das Handbuch“.

gemeinsame & genussvolle zeit

Nichts bringt uns so zusammen wie das Essen, und trotzdem – oder genau deswegen – geht es in diesem Buch nicht nur um das Essen selbst, sondern darum, dass es zu den Menschen und dem Anlass passt. Denn ein Abend zu zweit folgt ganz anderen Regeln als ein Abend zu zehnt, und auch ein Business Dinner mit dem neuen Geschäftspartner kann ganz andere Hürden mit sich bringen als das Familienfest mit dem seltsamen Onkel, ist die Inhaberin eines Berliner Feinkostlabels überzeugt.

Warum Essen so viel mehr ist als einfache Nahrungsaufnahme und wie sich die häufigsten Fauxpas verhindern lassen, erklärt sie im Interview.

Die Kunst des Gastgebens: Im Gespräch mit Expertin Katharina Vetter Kapagiannidou
Expertin Katharina Vetter Kapagiannidou © EMF/Grit Siwonia, Schorfheide/Brandenburg
Sie sind bekennende Gastgeberin mit Herz und Seele, durften Kulinarik und Gastlichkeit sogar zu Ihrem Beruf machen. Wann haben Sie denn zuletzt Gäste empfangen, und was wurde serviert?

Katerina Vetter Kapagiannidou: Meine letzte Einladung war tatsächlich dieses Wochenende. Wir haben ein kleines Waldhaus in der Nähe von Berlin, in das ich jedes Jahr im Oktober zum Pilzesammeln mit anschließendem Abendessen einlade.

Es gab Salat mit einem Dressing vom Löwenzahnhonig, handgeschabte Spätzle mit Steaks von der krausen Glucke, gefolgt von einem Dessert mit Kompott aus Waldheidelbeeren. Alles passt zum Waldthema, Vor- und Nachspeise lassen sich sehr gut vorbereiten, mit Zutaten, die ich über den Sommer selbst einwecke.

Und die Hauptspeise ist flexibel genug, sich danach zu richten, was man so aus dem Wald holt. Das ist übrigens auch ein gutes Beispiel dafür, dass nicht jedes Essen zu jedem Anlass passt: Das beschriebene Menü hat im kleinen, privaten Rahmen für eine fantastische Stimmung gesorgt.

Aber Sie werden mir sicher zustimmen, dass selbst gesammelte Pilze beispielsweise beim Kennenlerndinner mit den neuen Geschäftspartnern eher Angstschweiß als Freudentränen auslösen würden. Darum ist mein Buch „Was Gäste glücklich macht“ auch nach Anlässen strukturiert, denn was bei dem einen Anlass die Gäste glücklich macht, kann beim anderen total fehl am Platz sein.

Welche „Zutaten“ sind für Sie entscheidend für einen unvergesslichen Abend?

Meine Geheimzutat ist und bleibt die Kommunikation, vor jeder Planung steht die Frage: Welchen Einfluss hat die Auswahl unserer Speisen auf unser Miteinander? Und wie kann ich ihn je nach Anlass dafür nutzen, über Rezepte, Ambiente und das passende Setting die Stimmung am Tisch zu steuern?

Als Feinkosthändlerin und Kommunikationsexpertin weiß ich, welche Lebensmittel oder Serviertechniken kommunikationsfördernder sind als andere. Ein Beispiel ist das Verwenden von außergewöhnlichen Zutaten, durch die ein Spiel mit Farben, Formen und Texturen entsteht, das die Kommunikation auf sich zieht.

Ein anderes Beispiel ist das Servieren nach dem mediterranen Shared Plates Prinzip, hier gilt es sogar als wissenschaftlich bewiesen, dass es sich harmonisch auf die Stimmung auswirkt, wenn die Teller geteilt werden.

Es schafft mehr Interaktion am Tisch und bringt die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes näher zusammen. Ich habe aber auch beobachtet, dass es Anlässe gibt, die lieber für sich sprechen und bei denen man die Interaktion mit dem Essen bewusst reduzieren sollte. Das Besondere an meinem Ansatz ist, genau diesen schmalen Grat ideal für den jeweiligen Anlass auszurichten.

Kann man die Kunst des Gastgebens erlernen, und wenn ja – wie?

Die Frage ist schon mal sehr gut gestellt, denn Stress und Genuss passen tatsächlich nicht zusammen. Laut einer Umfrage sind gestresste GastgeberInnen mitunter sogar die größten Stimmungskiller. Für alle, die da anfällig sind, habe ich einen einfachen Rat, der banal klingen mag, aber wahnsinnig effektiv ist: Den wenigsten Stress strahlen Sie aus, wenn Sie sich beim Dinner mit Ihren Gästen erst gar keinen machen. Sondern davor.

Das bedeutet, dass Sie die à la minute Anteile des Menüs auf ein Minimum reduzieren, und auf eine gute Vorbereitung setzen. Eine Suppe zur Vorspeise, ein Ofengericht zum Hauptgang, ein selbstgemachtes Eis mit Kompott als Nachspeise – das sind Beispiele, die sich super vorbereiten lassen.

Natürlich lässt eine Quiche im Ofen durchaus Luft nach oben: Wenn Sie unter guten Freunden sind und etwas mutiger aufkochen wollen ist ein anderer Ansatz, genau das zum Gemeinschaftserlebnis zu machen: lassen Sie sich von Ihren Gästen bei komplizierteren Rezepten helfen und machen Sie den Erfolg zu einer schönen Erfahrung für alle.

Für manche der älteren Generation ein No-Go – zu Unrecht, wie ein Blick in die Psychologie zeigt: Kennen Sie den Benjamin-Franklin-Effekt? Ein psychologisches Phänomen, das besagt, dass es die Sympathie füreinander sogar stärkt, wenn wir um einen Gefallen bitten. Ich bin gerne und bewusst nicht perfekt in meinem Tun und mir hilft solches Hintergrundwissen aus Psychologie und Kommunikation enorm, dem Thema Gastgeben entspannt zu begegnen.

Ein Essen im engen Freundeskreis ist etwas ganz anderes, als Staatsdinner zu veranstalten, fürs Catering auf der Fashion Week zuständig zu sein oder Hochzeiten auszurichten – all das haben Sie bereits getan. Da passiert doch sicherlich der eine oder andere Fauxpas? Und wie geht man am besten damit um, wenn mal nicht alles läuft wie geplant?

Oh, die Kulinarik bietet eine herrliche Spielwiese für Fauxpas, die manchmal sogar ziemlich unterhaltsam sein können – solange sie einem nicht selbst passieren… In meinem Buch erzähle ich in diversen Anekdoten von der ein- oder anderen Stolperfalle – und wie man sie vermeiden kann.

Die häufigste ist sicher das Tempo, ganz egal ob bei den Profis oder zuhause. Das Fleisch ist noch nicht ganz durch, etwas wurde bei der Vorbereitung vergessen oder das Anrichten dauert länger als gedacht – hinter den Kulissen kann vieles schiefgehen, und doch sind die Auswirkungen für die Gäste meist dieselben: Es entstehen lange Wartezeiten und das wirkt sich störend auf den Ablauf aus.

Mein Geheimtipp ist der sogenannte „versteckte Gang“. Ein kalt servierter Gruß aus der Küche, der sich gut vorbereiten lässt. Man zückt ihn nur, wenn man merkt, dass es knapp wird. Perfekt dafür eignet sich zum Beispiel ein Sorbet, das kann zwischen den Gängen serviert werden, zählt aber nicht im klassischen Sinne zur Menüfolge. Ein anderer Tipp ist, die Gäste nicht zu überraschen.

Wenn Sie einen Jakobsmuschelburger servieren, sorgen Sie dafür, dass er auch aussieht, wie ein Jakobsmuschelburger, sonst legt ihn ein Großteil derer, die Fleisch erwartet haben, enttäuscht wieder weg. Das sind nur zwei Tipps von vielen, die in dem Buch auch von Ausnahmetalenten aus den Bereichen Gastro, Hotellerie und Event kommen.

Rezept für Löwenzahnhonig

Die Kunst des Gasgebens: Rezept für Löwenzahnhonig
© EMF/Grit Siwonia, Schorfheide/Brandenburg
ZUTATEN:
  • 250 g Löwenzahnblüten
  • 1 Bio-Zitrone
  • 1 kg brauner Zucker
Zubereitung:
  1. Die gesammelten Löwenzahnblüten waschen.
  2. Die Zeste der Zitrone abreiben und zusammen mit den Blüten in einen Topf geben, mit 1 l Wasser übergießen und einige Stunden ziehen lassen.
  3. Dann 5 Minuten aufkochen und über Nacht ziehen lassen. Am nächsten Morgen die Mischung durch ein Sieb gießen.
  4. Parallel die Zitrone, von der wir am Vortag die Zeste genommen haben, auspressen und den Saft zusammen mit dem Zucker zu dem Löwenzahnwasser geben und so lange einkochen, bis eine sirupartige Konsistenz entsteht. Ab nun weiterköcheln lassen, hin und wieder eine Probe mit einem Klecks auf einem kalten Teller machen; sobald er ausgekühlt ist und die Konsistenz von Honig hat, ist er fertig. In ein steriles Glas abfüllen.

Rezept für Jakobsmuschel-Burger

Die Kunst des Gasgebens: Rezept für Jakobsmuschel-Burger
© EMF/Grit Siwonia, Schorfheide/Brandenburg
Zutaten für ca. 12 Stück:
  • 6 Jakobsmuscheln
  • Olivenöl
  • Zitronensaft
  • Maldon-Salz
  • 1-2 Knollen Topinambur
  • 1 Bund Brunnenkresse
Für die Madeleines
  • 130 g Butter
  • 3 Eier (Größe M)
  • 200 g Mehl (Type 405)
  • 6 g Backpulver
  • 40 g Vollmilch
  • 10 g kohlensäurehaltiges Mineralwasser
  • Zitronenzeste
  • 1 Spritzer Zitrone
  • Salz
  • Pfeffer
  • Zucker
Für die Wasabi-Mayonnaise
  • 1 Ei (Größe M)
  • 250 ml Sonnenblumenöl
  • haselnussgroße Menge Senf
  • 1 EL Zitronensaft
  • Zitronenzeste
  • 1–2 TL Wasabi-Paste
  • Salz
  • Zucker
Außerdem
  • 1 Madeleine-Form

Zubereitung:

  1. Für die Madeleines zunächst die Nussbutter herstellen. Dafür die Butter in grobe Würfel schneiden, in einem Topf bei mittlerer Hitze aufkochen, bis sich das Eiweiß an der Oberfläche absetzt. So lange weiterköcheln, bis die Butter zu bräunen beginnt, durch ein Haarsieb oder Mulltuch passieren und 30 Minuten abkühlen lassen.
  2. Die Eier schaumig schlagen und nach und nach das Mehl zusammen mit dem Backpulver unterrühren. Die Nussbutter in dünnem Strahl dazugeben und anschließend auch die restlichen Zutaten. 1 Stunde im Kühlschrank ruhen lassen.
  3. Den Backofen auf 190 °C (Umluft) vorheizen.
  4. Etwas Sonnenblumenöl auf ein Küchenpapier geben und die Madeleineförmchen damit auswischen. 1 EL Teig je Form hineingeben und im heißen Backofen 10 Minuten backen.
  5. Als Nächstes die Mayonnaise: Zuerst das Ei aufschlagen und in ein Standgefäß geben, dessen Durchmesser nicht viel größer ist als der des Stabmixers. Anschließend das Öl darübergießen, sodass das Ei bedeckt ist. Die restlichen Zutaten mit je 1 Prise Salz und Zucker dazugeben. Den Mixer in das Gefäß tauchen, bis er Kontakt mit dem Boden hat, Einschalten, aber NICHT die Position verändern. Erst, wenn die Zutaten beginnen, sich zur Mayonnaise zu verbinden, weiter mixend sehr langsam nach oben ziehen – fertig!
  6. Für die Jakobsmuscheln die Muscheln waschen und trocken tupfen. Je nach Größe in der Mitte parallel zum Schneidebrett halbieren, sodass zwei Kreise entstehen. In einer Pfanne ohne Fett 1–2 Minuten von jeder Seite rösten. Anschließend die Hitze runterdrehen und kurz ziehen lassen, dabei etwas Olivenöl, etwas Zitronensaft und ein paar Maldon-Salzkristalle darübergeben.
  7. Für die Topinamburchips die Knollen in dünne Scheiben hobeln, im ca. 180 °C heißen Fett frittieren, bis sie goldgelb sind. Etwas salzen.
  8. Sind die Madeleines nach oben hin sehr aufgegangen, können Sie sie mit einem Brotmesser begradigen. Dann drehen Sie sie um und schneiden sie zur Hälfte auf, sodass Sie erst den Topinamburchip und die Brunnenkresse einfüllen und anschließend die Jakobsmuschel draufsetzen können. Einen Klecks Wasabi-Mayonnaise auf die Muscheln geben und den Burger schließen.
Die Kunst des Gasgebens
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Leonie Werus, Redakteurin für die Ressorts Genuss, Wohnen und Freizeit bei der TIROLERIN
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Leonie Werus betreut die Ressorts Genuss, Wohnen und Freizeit. Sie ist ein echter Workhaholic und weiß es jede Minute gut für sich zu nutzen. Mit ihren Airfryer, liebevoll Fritti genannt, probiert sie gerne neue Rezepte und versucht nebenbei das TIROLERIN-Team zum Sport zu motivieren – meist leider vergeblich.

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