Einstieg in das Berufsleben: Der Weg nach oben

Warum in der Berufswelt nicht alle dieselben Chancen haben.

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Die Karrieren von Frauen werden aus verschiedensten Gründen ausgebremst: Schon in den ersten fünf Berufsjahren treffen weiblich gelesene Personen im Job auf Hindernisse, die ihre männlichen Kollegen nicht überwinden müssen und die gleichzeitig dafür sorgen, dass die Vorstandsetagen vieler Unternehmen immer noch vorwiegend männlich besetzt sind. Mirijam Trunk ist Chief Crossmedia Officer im Führungsteam von RTL sowie Chief Sustainability & Diversity Officer. Im Alter von 27 Jahren wurde sie Geschäftsführerin der Bertelsmann Audio Alliance und baute das Podcast-Geschäft des deutschen Unternehmens auf. Auch sie kann ein Liedchen von solchen Hindernissen singen: Auf ihrem Weg in die Chef:innenetage lernte die Managerin einiges, das sie gerne schon am Anfang ihrer Karriere erfahren hätte. Welche Lektionen das genau sind, beschreibt Trunk in ihrem neuen Buch „Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte“.

Im Machtlabyrinth

Zu Beginn betont die Autorin, dass Karrieren zwar gerne als eine Leiter beschrieben werden – sozusagen als vertikale Aufwärtsbewegung – jedoch eher mit einem Labyrinth vergleichbar seien, durch das man sich hindurch navigieren muss. „Als Spieler:innen im Machtlabyrinth haben wir eine Art persönlichen Marktwert, der uns weiterkommen oder steckenbleiben lässt. Kompetenz, Erfahrung, Netzwerk, Leistung können den eigenen Marktwert beeinflussen – vor allem hängt er aber ab von der Fähigkeit, sich durch das Machtlabyrinth zu spielen.

Wenn wir ernsthaft Chancengleichheit in Positionen relevanter Mitbestimmung haben wollen, müssen Frauen Macht als etwas Erstrebenswertes definieren. Etwas, für das es sich lohnt, sich wie in einem Computerspiel von Level zu Level zu kämpfen. Die Spielregeln sind jedoch leider hauptsächlich für weiße Männer gemacht“, so Mirijam Trunk über ihr Buch.

Vor allem Sprache sei deswegen ein wichtiges Instrument der Macht: „In der Diskussion, warum Themen wie strukturelle Diskriminierung erst in den vergangenen Jahren wirklich in die Mitte der Gesellschaft gerückt sind, halte ich Sprache für den absoluten Schlüssel“, schreibt sie. „Sprache schafft Realität. Ohne Sprache lassen sich die mannigfaltigen Nachteile, denen Frauen beim Eintritt ins Berufsleben ausgesetzt sind, nicht zur Sprache bringen.“ Als Beispiel nennt sie das Gefühl, wenn man als einzige Frau im Raum nur dazu angeleitet wird, den Kaffee zu besorgen. Gemeinsame Worte zu finden, sei hier besonders wichtig – nur so könne auch das Gegenüber die Diskriminierung verstehen.

Privilegien hinterfragen

Bereits von Beginn an wird klar, dass die Autorin dafür plädiert, immer wieder die eigenen Privilegien zu hinterfragen und für einen breiten Feminismus zu sensibilisieren. Einen, der weit hinaus über die Gedankenwelt des „White Feminism“ geht – auch wenn sie selbst weiß und privilegiert sei, wie sie schreibt. Genau deswegen berichtet die Managerin im Buch auch nicht nur von ihren eigenen Erlebnissen – wie beispielsweise davon, dass sie in einer Business-Runde voller Männer saß und diese von ihr als einzige Frau erwarteten, den Kaffee holen zu gehen – und das, obwohl sie sogar qua Amt die Ranghöchste im Raum war.

Zusätzlich hat sie intensive Gespräche mit anderen weiblichen „Role Models“, die in Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Kultur arbeiten und verschiedene soziale Hintergründe haben, geführt: Mit dabei sind unter anderem Inputs von der deutschen Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer, der Unternehmerin sowie Diversitätsexpertin Tijen Onaran, der Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn Sigrid Nikutta, der Umweltschutz-Influencerin Louisa Dellert, der Antirassismus-Trainerin Tupoka Ogette und der Journalistin sowie Buchautorin Alice Hasters.

Alleine geht’s nicht

Ein zentrales Thema in Trunks Buch ist die Bedeutung von Netzwerken und Beziehungen. Sie betont, wie wichtig es ist, Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen, um im Berufsleben voranzukommen. Die Arbeitswelt, in der wir uns bewegen, sei maßgeblich von Männern geprägt, so Trunk. Umso wichtiger sei es, dass sich Frauen gegenseitig unterstützen und ein gemeinsames Netzwerk aufbauen. Bestimmte Safe Spaces wie Frauen-Networks seien ein guter Anfang dafür, aber auch Ratgeber:innen und Mentor:innen können laut der Medienmanagerin ein echter Gamechanger sein, wenn es um Karrieren und Netzwerke gehe.

Gleichzeitig warnt Trunk jedoch auch davor, Berufs- und Privatleben zu sehr miteinander verschmelzen zu lassen. Zu Beginn ihres Berufslebens hatte sie selbst kein Diensthandy, mit der Konsequenz, dass so gut wie alle Kolleg:innen sowie Kund:innen ihre private Handynummer kannten: „Es macht durchaus Sinn, sich direkt zu Anfang des Berufslebens und dann immer wieder selbst zu fragen, wie eng man die Netzwerkkreise ‚Beruf ‘ und ‚Privat‘ überschneiden lassen will“, schreibt die Autorin. „Damit einher geht auch wie eng man seine persönlichen Grenzen setzen will: Soll jede:r direkt Zugang zu Social-Media- Profilen mit privaten Fotos bekommen, soll jede:r im Urlaub anrufen können? Man sollte sich das genau überlegen und immer wieder nachjustieren, wie weit sich die Kreise überschneiden.“

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Fallen der Tradition

Vor allem weibliche Berufseinsteiger:innen begegnen am Anfang ihrer Karriere oft Glaubenssätze, die sie auf ihrem Weg ausbremsen können. Wichtig sei es hier, sich diese bewusst zu machen und sich dann gegen diese zu wappnen. Laute Frauen, die sich durchsetzen und ihren Weg gehen, würden beispielsweise oft als „schwierig“ oder zu „bossy“ angesehen. Trunk rät dazu, diese Worte zu reframen – „bossy bedeutet durchsetzungsstark“ – und sich von diesen nicht aus der Bahn werfen zu lassen.

Problematisch sei hier auch, dass viele Frauen das Gefühl haben, sich beliebt machen zu müssen – auch Trunk erging es am Anfang ihrer Karriere so: „Tatsächlich war der Wunsch, gemocht zu werden, einer, der mich davon abgehalten hat, in Konflikte zu gehen, auch wenn sie notwendig waren“, schreibt sie. „Definiere, wem du Macht über deine Stimmungslage oder Gedanken gibst. Du wirst nicht von allen gemocht werden und das ist völlig okay.“

Auch der Glaubensansatz „Verhalte dich wie ein Mann“ sei laut Trunk vor allem bei der Gehaltsverhandlung von Frauen problematisch. Weibliche Kolleginnen, die so hart und durchsetzungsstark wie Männer verhandeln, werden oft dafür abgestraft, sich nicht „weiblich“ und rollenkonform zu verhalten – Grund dafür ist die Theorie der „Rollenkongruenz“. Diese trete jedoch nicht auf, wenn Frauen für andere Frauen verhandeln. Trunk rät deswegen dazu, sich bei der nächsten Gehaltsverhandlung vorzustellen, diese für eine gute Freundin zu verhandeln.

Arbeitsbienenfalle vermeiden

Besonders am Anfang ihrer Karriere machen viele Menschen wichtige Erfahrungen mit Fleißaufgaben. Frauen würden hierbei jedoch oft den Fehler begehen, in die sogenannte Arbeitsbienenfalle zu tappen, da diese meist zuarbeiten und am Ende jemand anderes für sich präsentieren lassen. So würde man sich selbst jedoch unsichtbar machen: „Es ist grade zum Berufseinstieg sinnvoll, den oder die Wasserträger:in zu geben, um überhaupt ins Team zu kommen – ob in Praktika oder als Referent:in – solange die Lernerfahrung groß genug ist“, so Trunk.

„Aber wenn diese Lernkurve abflacht und du bereit bist für den nächsten Schritt: Hör auf, Kuchen für alle zu backen und dich für deine schöne Schrift am Whiteboard loben zu lassen. Übernimm Projekte, die dir Sichtbarkeit geben, und stell sicher, dass du dafür auch gesehen wirst.“

Ansonsten könnte einen dieser Fleiß sogar am Aufsteigen hindern: „Eine richtig gute Mitarbeiterin, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann, ist bei jeder Chefin und jedem Chef beliebt.“ Auf diese perfekte Arbeitsbiene würden viele ungerne verzichten und somit diesen Personen auch seltener eine Beförderung anbieten.

Kolleg:innen ungleich Freund:innen

Auch wenn Trunk immer wieder die Bedeutsamkeit von Netzwerken hervorhebt, warnt sie davor, anderen gegenüber bedingungslos loyal zu sein. Zwar sei es wichtig, auf Solidarität zu setzen – sich selbst jedoch zu fragen, wen oder was man unterstützt.

Sich nicht immer sofort anderen unterzuordnen, sei auch eine notwendige Eigenschaft, wenn man strukturelle Hürden überwinden möchte: „Der Unterschied zwischen dem beruflichen und dem privaten Selbst ist ganz elementar: Nicht jede:r muss gleich dein:e beste: r Freund:in werden“, schreibt die Autorin. Viel wichtiger sei es, sich selbst und seinen Prinzipien treu zu bleiben.

Eigenes Erfolgsrezept finden

Auch wenn Mirijam Trunk nicht von Anfang an alle Erfolgsrezepte kannte: Erfolgreich ist sie trotzdem geworden. Als Diversity- und Crossmedia-Chefin ist sie heute mit 31 Jahren Teil der Führungsriege bei RTL und verantwortlich für die Marken-, Inhalte- und Talent-Entwicklung. Ihr Wunsch für die Zukunft ist es, dass mehr Frauen eine Karriere wie ihre hinlegen können. Und genau dabei soll ihr neues Buch die Leser:innen unterstützen.

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Über

Mirijam Trunk ist bei RTL Deutschland als Chief Crossmedia Officer verantwortlich für die Marken-, Inhalte- und Talente- Entwicklung und leitet den Bereich Nachhaltigkeit, Diversity, Equity & Inclusion.

Zum Nachlesen:

„Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte“ von Mirijam Trunk
Penguin Verlag, München 2023, € 22,70, ISBN: 978-3-328-60278-1

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Mehr zur Autorin dieses Beitrags:

Kultur-Redakteurin Tjara-Marie Boine bei der TIROLERIN
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Tjara-Marie Boine ist Redakteurin für die Ressorts Business, Leben und Kultur. Ihr Herz schlägt für Katzen, Kaffee und Kuchen. Sie ist ein echter Bücherwurm und die erste Ansprechpartnerin im Team, wenn es um Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung geht.

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