Schlafmythen im Check: Endlich mal wieder durchschlafen
Wie finden wir zurück zur erholsamen Nachtruhe – und wie kann das Schlaflabor dabei helfen?
© Pexels/Mo Eid
Zeit für den Expert:innencheck: Wir haben Elisabeth Brandauer, Oberärztin im Schlaflabor an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie, zum Gespräch gebeten und gehen den Schlafmythen auf die Spur. Guter Schlaf braucht Geborgenheit, Wärme und den Mut loszulassen. Gar nicht so einfach in einer Zeit, in der selbst die natürlichsten Bedürfnisse einem allgegenwärtigen Optimierungswahn zum Opfer fallen.
Sleep-Tracker, Einschlafpodcasts und Melatoninkapseln überschwemmen den Markt und sollen uns zur perfekten Nachtruhe verhelfen. Haben wir etwa verlernt, wie das geht?
augen zu und durch: Im Inverview mit Elisabeth Brandauer
Schlafen wir heute schlechter als früher?
Elisabeth Brandauer: So pauschal kann man das nicht sagen. Aber ja, gerade während Corona haben Schlafstörungen definitiv zugenommen – durch die Infektion, aber auch durch die psychische Belastung, die mit der Pandemie einherging. Generell beobachten wir schon, dass Menschen in Krisenzeiten eher schlechter schlafen.
Welche Faktoren sind für Schlafstörungen verantwortlich?
Zum einen spielen die äußeren Umstände eine Rolle – etwa wenn es zu laut oder zu hell ist, die Matratze nicht passt oder der:die Bettpartner:in schnarcht. Auch Arbeitsbedingungen wie Schichtarbeit können schlechten Schlaf verursachen. Zum anderen gibt es medizinische Gründe wie internistische, neurologische, psychiatrische und Schmerzerkrankungen oder hormonelle Umstellungen wie die Wechseljahre, die vielen Frauen Schlafprobleme bereiten. Viele Schlafstörungen sind aber vorübergehend, meistens sind akute psychische
Belastungssituationen der Grund. Zu uns ins Schlaflabor kommen auch viele, weil sie zum Beispiel nächtliche Atemaussetzer haben oder eine Bewegungsstörung wie das Restless-Leg-Syndrom.
Manche Menschen behaupten ja, sie würden mit fünf Stunden Schlaf auskommen. Ist das wirklich genug?
Naja, vereinfacht gesagt hat man ausreichend geschlafen, wenn man sich ausgeschlafen fühlt und untertags nicht müde ist. Das ist natürlich bei jedem Menschen verschieden – der eine braucht sechs Stunden Schlaf, der andere neun Stunden. Die allgemeine Empfehlung der Weltschlafgesellschaft liegt zwischen sieben und neun Stunden. Dabei brauchen Frauen ein bisschen mehr Schlaf als Männer, etwa acht bis neun Stunden; Männern reichen dagegen sieben bis acht Stunden. Wahrscheinlich liegt das am unterschiedlichen Hormonhaushalt.
Kann man auch zu lange schlafen?
Ja. Wenn man einmal die Gelegenheit hat auszuschlafen, neigt man dazu, länger liegen zu bleiben, als es für Körper und Geist nötig wäre. Allerdings ist das dann meist nicht der erholsame Kernschlaf, sondern eher ein Dösen, wo man auch immer wieder aufwacht. Und das lässt einen letztendlich weniger erholt aufwachen als bei einer insgesamt kürzeren Schlafdauer.
Welche Folgen kann Schlafmangel auf Dauer haben?
Zum einen leidet die Gedächtniskonsolidierung – also die Fähigkeit, sich Dinge zu merken und diese abzuspeichern. Auch die Konzentrationsfähigkeit wird beeinflusst; nicht ohne Grund ist die Unfallhäufigkeit bei Menschen mit Schlafmangel erhöht. Ganz allgemein sinkt die Leistungsfähigkeit, und man wird gereizter. Schlafmangel ist aber auch schlecht für das Immunsystem. Studien haben gezeigt, dass die Immunantwort nach einer Impfung bei ausgeschlafenen Menschen besser ausfällt als bei übermüdeten. Aber auch der Stoffwechsel
und die Glukoseverarbeitung arbeiten mit ausreichend Schlaf besser – wer zu wenig schläft, nimmt unter anderem auch schneller zu.
Gerade das Einschlafen ist für viele Menschen ein Problem. Warum?
Oft ist der Grund für Einschlafprobleme das typische Gedankenkreisen. Man legt sich ins Bett, denkt an etwas, das einen gerade beschäftigt und kann dann nicht mehr abschalten. Oft sind auch seelische Sorgen oder eine Belastungssituation der Grund, dabei handelt es sich aber, wie schon erwähnt, meist um temporäre Schlafstörungen. Oft fühlt man sich in der Situation dann gar nicht mehr müde, andere wiederum sind richtig müde, aber können trotzdem nicht einschlafen. Auch die Uhrzeit kann eine Rolle spielen: Wer schlecht geschlafen hat und am nächsten Tag schon um acht Uhr ins Bett gehen will, merkt schnell, dass das nicht wirklich funktioniert.
Was hilft denn gegen Einschlafprobleme?
Wenn Gedankenkreisen die Ursache ist, kann man sich vornehmen, die störenden Gedanken bewusst auszublenden. Das ist leichter gesagt als getan, kann aber zum Beispiel so funktionieren: Man setzt sich vor dem Schlafengehen in einen Sessel und geht im Kopf noch einmal alles durch, was einen gerade beschäftigt – vom gerade erlebten Tag bis hin zu dem, was einem am nächsten Tag bevorsteht. Dann nimmt man sich bewusst vor: An diese Punkte denke ich heute nicht mehr. Dieses „Training“ hilft natürlich nicht von heute auf morgen, sondern eher auf lange Sicht. Im Schlaflabor haben wir zum Beispiel auch eine Psychologin vor Ort, die kognitive Verhaltenstherapie für Schlafstörungen anbietet und sich um derartige Probleme kümmert. Natürlich sind auch Schlafmittel eine Möglichkeit, aber eher zur kurzfristigen Behandlung, etwa in akuten Belastungssituationen, und nicht als dauerhafte Lösung und schon gar nicht in Selbsttherapie.
Man hört ja immer wieder, wie wichtig eine gute „Schlafhygiene“ sei. Haben Sie Tipps?
Hier gibt es verschiedene Ansätze, und natürlich ist auch jeder Mensch anders. Ganz allgemein ist es wichtig, nicht hungrig, aber auch nicht mit vollem Magen ins Bett zu gehen. Die Füße sollten warm sein, denn kalte Füße können den Einschlafprozess sehr stören. Manchen kann es helfen, die Uhr aus dem Schlafzimmer zu verbannen oder zumindest das Ziffernblatt wegzudrehen, gerade, wenn man öfter mal länger wach liegt. Generell sollte der Raum möglichst dunkel, ruhig und frei von „schlaffremden“ Sachen sein: Arbeitsgeräte, den zu bügelnden Wäschestapel und generell Dinge, mit denen man eher Negatives konnotiert, sollte man vom
Schlafzimmer fernhalten. Auch Haustiere können die Schlafhygiene stören, das sollte man nicht unterschätzen.
Rituale können den Einschlafprozess ebenfalls fördern. Manche mögen gerne ein Glas Milch mit Honig, andere – vor allem Männer – trinken ein Glas Wein oder Bier. Von Alkohol würde ich allerdings abraten, da der tägliche Konsum auf Dauer nicht nur abhängig machen kann, sondern auch eher zu Durchschlafstörungen führt, nachdem der Alkohol vom Körper abgebaut wurde.
Stichwort Durchschlafstörungen: Was hilft gegen nächtliches Aufwachen?
Dafür muss man zunächst die Ursache identifizieren. Wer aufwacht, weil er oder sie schon ausgeschlafen
ist, sollte vielleicht etwas später ins Bett gehen. Aber auch nächtliche Toilettengänge unterbrechen den Schlafprozess und können ein erneutes Einschlafen erschweren. Oder Schmerzen, hervorgerufen durch eine zu harte Matratze. Menschen mit einer nächtlichen Atmungsstörung oder Schnarcher:innen wachen ebenfalls öfter auf. Da fällt das Wiedereinschlafen oft schwer, weil ein Teil des „Schlafdrucks“ schon abgebaut ist. In solchen Fällen kann es schon klug sein, wirklich das Bett zu verlassen und sich einer – ruhigen, nicht aufregenden – Aktivität zu widmen, wie Lesen oder Handarbeit. Sobald man das Gefühl hat, wieder müde zu werden, geht man zurück ins Bett. Das Problem ist nämlich auch, dass oft das Bett irgendwann als Feind angesehen wird, das man gar nicht mehr so gerne mag. Dieses Muster muss man manchmal durchbrechen. Einige Menschen schlafen aus diesem Grund auch in einer fremden Umgebung besser als daheim.
Im Alter schlafen viele schlechter. Warum?
Oft kommen körperliche Beschwerden dazu, die das Schlafen erschweren. Auch die Gehirnwellen, die für den Tiefschlaf zuständig sind, werden tendenziell niedriger. Aber dass ältere Menschen generell weniger Schlaf brauchen als junge, ist ein Mythos.
5 Schlafmythen im check
1 | Es ist besser, vor Mitternacht schlafen zu gehen.
Nicht unbedingt. Wichtiger ist es, den Schlaf insgesamt an den 24-Stunden-Rhythmus und die Lichtverhältnisse anzupassen.
2 | Fernseher und Handy soll man aus dem Schlafzimmer verbannen.
Ja. Helligkeit hemmt die elatoninausschüttung, außerdem können die Reize durch den Nachrichtenkonsum aufwühlend wirken.
3 | Sport wirkt schlaffördernd.
Aktivitäten untertags können den Schlaf fördern, allerdings sollte man etwa vier Stunden vor dem Zubettgehen intensive Sporteinheiten vermeiden.
4 | Das Schlafzimmer sollte kühl sein.
Jein. Man sollte nicht frieren, aber ein kühleres Zimmer fördert den Schlaf eher als ein zu warmes.
5 | Vorschlafen ist möglich.
Innerhalb von circa 24 Stunden kann man ein gewisses Schlafpensum einholen; andererseits schläft aber auch nicht jede:r um fünf Uhr nachmittags gleich gut wie in der Nacht – der Erholungseffekt ist daher meist nicht derselbe.
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Mehr über die Autorin dieses Beitrags:
Andrea Lichtfuss ist Stv. Chefredakteurin der TIROLERIN und für die Ressorts Beauty, Style und Gesundheit zuständig. Sie mag Parfums, Dackel und Fantasyromane. In ihrer Freizeit findet man sie vor der X-Box, beim Pub-Quiz oder im Drogeriemarkt.