Tiny House: Klein, aber oho
Vom großen Glück auf kleinem Raum: zu Gast in einem Tiny House.
© Martin Vandory
Mehr Geld, mehr Ansehen, mehr Freiraum. Das Streben nach Wachstum ist in unserer Gesellschaft fest verankert, genauso wie für viele Menschen der Traum vom Eigenheim wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Lebensplanung ist. Möglichst viele Zimmer, ein eigener Garten und ein großes Grundstück waren dabei noch vor nicht allzu langer Zeit zentrale Aspekte eines idealen Zuhauses – und sind es mitunter nach wie vor. Gleichzeitig entwickelte sich in den letzten Jahren eine Gegenbewegung: weg von imposanten, Wohnraum verschlingenden Anwesen, hin zu kleinen Häuschen mit wesentlich geringeren Bau- und Folgekosten – dem Tiny House
Im Zentrum der neue Bewegung stehen dabei der Trend zur Reduktion aufs Wesentliche, aber auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Unabhängigkeit und Freiheit. Die winzigen Wohnstrukturen, deren Größe die eines durchschnittlichen Wohnzimmers oftmals nicht übersteigen, verkörpern weit mehr als nur eine minimalistische Lebensweise. In einer Welt, in der urbaner Raum immer kostbarer wird und der ökologische Fußabdruck zunehmend ins Bewusstsein rückt, habt sich das Tiny House vom Nischentrend zum viel diskutierten Thema entwickelt – und könnten auch in Tirol, wo die Wohnpreise bekanntlich seit geraumer Zeit für Gesprächsstoff sorgen, Teil der Lösung sein.
Was wirklich wichtig ist
Die Entscheidung für ein Tiny House muss jedoch keineswegs mit dem Verzicht auf Komfort einhergehen – im Gegenteil. Bestes Beispiel dafür ist jenes von Susanne Buratti, in dem wir an diesem herbstlichen Vormittag zu Gast sind. Nach einer stürmischen Begrüßung durch ihren aufgeweckten Dalmatiner Dexter führt uns Susanne durch die Wohnungstür ins Innere ihrer eigenen vier Wände und somit direkt ins Wohnzimmer, das sich freundlich und lichtdurchflutet präsentiert. Große Couch, bequemer Sessel, Fernseher und Soundanlage: Hier fehlt es an nichts.
Obwohl ihr Tiny House mit einer Wohnfläche von 50 Quadratmetern auf einem 150-Quadratmeter-Grundstück recht großzügig bemessen ist und sich gerade noch als solches bezeichnen darf, musste sich Susanne bei ihrem Auszug aus einer 90-Quadratmeter-Wohnung von einem Großteil ihres Hab und Guts trennen, wie sie erzählt: „Rund zwei Drittel meiner Kleidung habe ich entsorgt, weil ich schlichtweg keinen Platz mehr dafür hatte. Aber es waren nicht nur Kleidungsstücke. Über die Jahre sammeln wir eine Vielzahl an Dingen an, die dann in Kellerräumen und auf Dachböden gelagert werden.“ In Ermangelung dieser besitzt Susanne mittlerweile nur noch, was sie tatsächlich braucht und ihr wirklich am Herzen liegt.
Neuanfang
Als sie ihr Häuschen vor vier Jahren bezog, durfte sie sich bei der Einrichtung komplett spielen, nur Küche und Bad waren bereits eingebaut. Entdeckt hatte sie es im Internet durch Zufall: „Meine Vermieterin hatte es unter der Kategorie „Sonstiges“ inseriert, meinte, es sei ja irgendwie kein richtiges Haus, aber Wohnung eben auch keine.“ Als sie dann zum ersten Mal über die Schwelle trat, war es Liebe auf den ersten Blick. Ehe sie es sich versah, nannte Susanne ein Tiny House ihr Zuhause. Gestaltet hat sie es mit viel Liebe und Hingabe. Sie ließ sich von ihren liebsten Urlaubsländern inspirieren und nahm sich ausreichend Zeit, um herauszufinden, wie sich der begrenzte Raum bestmöglich nutzen lässt. Ein ausziehbarer und absenkbarer Tisch oder ein faltbarer Wäschekorb und Eimer sind nur einige der Gadgets, die ihr dabei helfen.
Glücksfall
Neben dem Wohnzimmer liegen Schlaf- und Badezimmer – abgetrennt durch platzsparende Schiebetüren – bevor der Raum fließend in eine offene Wohnküche übergeht. Der Blick geht hinaus ins Grüne, auf eine liebevoll gestaltete Terrasse samt gemütlichem Pavillon, der ein besonderes Urlaubsflair versprüht. Das Gras ist dank Rasenroboter Charly stets perfekt getrimmt.
Mit seiner Größe von 90 Quadratmetern samt kleinem Gartenhäuschen bietet der Garten auch für Dalmatiner Dexter genügend Platz zum Austoben. Ihr Hund sei mit ein Grund gewesen, warum sich Susanne für ein Tiny House entschieden hat. „Eine Wohnung zu finden, in der Hunde gern gesehen sind, ist eine große Herausforderung. Ein herkömmliches Haus wäre für uns aber auch keine Option gewesen. Das Tiny House war also ein wahrer Glücksfall für Dexter und mich.“
Unter 20 Bewerber:innen habe sich Susanne schließlich durchgesetzt, wie ihre Vermieterin erzählt, die vor zehn Jahren drei Tiny Houses auf ihren Grund hat bauen lassen. Der Gedanke dahinter war es, etwas Nachhaltiges zu schaffen, das sich bei Bedarf auch an andere Orte versetzen lässt, – und den eigenen Grund nicht mit einem Wohnkomplex zu verbauen. Genauso wie die beiden benachbarten Häuschen steht auch das von Susanne auf neun Betonpfeilern, die Wände sind mit Holzbrettern verkleidet. Eine Infrarotheizung erzeugt die Wärme, Solarpanele am Dach produzieren 1.000 Watt Sonnenenergie im Jahr. Für Susanne ergibt sich dadurch auch ein ganz anderer Rhythmus: „Früher habe ich den Haushalt meistens am Abend gemacht. Jetzt schalte ich den Geschirrspüler oder die Waschmaschine eben dann ein, wenn die Sonne scheint.“
less is more
Ob ihr Tiny House auch negative Seiten mit sich bringt? „Es bleibt einem natürlich viel weniger Stauraum. Das sehe ich aber eigentlich eher positiv, denn ich stelle mir nun bei jeder entzückenden Tasse und jedem noch so bezaubernden T-Shirt die Frage, macht mich das wirklich glücklich? Und ganz ehrlich: Wie viele Dinge brauchen wir letztendlich im Leben?“
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