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In vielen Partnerschaften fliegen ständig die Fetzen. Warum unsere Impulsivität großen Schaden anrichten kann und weshalb es so wichtig ist, eine gute Streitkultur zu entwickeln.
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Sich unfair behandelt fühlen, wenig Wertschätzung erfahren, nicht gesehen werden: Für einen Streit finden Paare viele Gründe, egal in welcher Beziehungsform sie zusammenleben. Ausgetragen werden diese tieferliegenden Themen aber meist über Kleinigkeiten.
Andere fressen vielleicht den Ärger in sich hinein, ziehen sich zurück und schweigen. Weder das eine noch das andere ist besonders förderlich für die Beziehung, weiß Mediatorin und Streitexpertin Monika Schwaighofer, Gründerin der Streitschule in Salzburg und Wien. Sie hilft Gruppen, Paaren und Einzelpersonen eine gesunde Streitkultur zu entwickeln.
Streiten ist gesund
Wie Studien zeigen, ist ein impulsgesteuerter, destruktiver Streit sogar schlecht für unsere Gesundheit – genauso wie die Konfliktvermeidung. Wer also von der eigenen Partnerschaft stolz behauptet „Wir streiten nie“ fährt damit nicht unbedingt besser, denn Konflikte gibt es in jeder Partnerschaft, egal ob sie ausgetragen werden oder nicht.
Eine US-Langzeitstudie zeigt: Partner:innen, die Konflikte aktiv angehen und faire Lösungen suchen, verfügen über ein stärkeres Immunsystem. Aber wie führt man einen Streit am besten auf konstruktive Weise?
Schon das Wort „Streitkultur“ zu benutzen sei ein Schritt in eine gute Richtung, sagt die Mediatorin, denn los geht es erstmal mit der richtigen Haltung: „Streiten ist nichts Schlechtes und sollte als Chance gesehen werden. Die Selbstreflexion ist der erste Schritt, um konstruktiv mit Konflikten umzugehen“, sagt sie. Fragen seien etwa: Welche Werte sind mir wichtig? Um welche Bedürfnisse und Interessen geht es konkret? Und: Was will ich für mich und für unsere Beziehung künftig wirklich? „Wer das herausgefunden hat, streitet nicht nur, um recht zu haben, sondern um das, worum es wirklich geht.“
Konstruktiv gelöste Konflikte bereichern die Beziehung.
Monika Schwaighofer
Um was geht es wirklich?
„Es sind nicht die Socken am Boden, die einen aufregen“, weiß die Mediatorin aus Erfahrung. „Oft sind diese Kleinigkeiten ein Indiz für ein größeres, tieferliegendes Thema. Da ist vielleicht ein Verlust an Aufmerksamkeit oder Wertschätzung, die man sich von der anderen Person erwartet hätte – genau über das muss gesprochen werden.“
Klingt erstmal sehr vernünftig, wären da nicht diese intensiven Gefühle wie Wut, Angst oder Enttäuschung. „In vielen Konflikten sind starke Emotionen involviert, der Körper schüttet vermehrt das Stresshormon Cortisol aus. Konstruktiv zu streiten heißt, diese Emotionen in den Griff zu bekommen.“ Oft kenne man das ursprüngliche Motiv für das Gespräch nicht mehr – und zwar eine gemeinsame Lösung für den Konflikt zu finden.
„Wenn die Emotion mit einem durchgehen, will man nur noch recht haben. Wer einen Streit als Bühne missbraucht, um sich durchzusetzen und am Schluss als Sieger:in dazustehen, darf sich nicht wundern, wenn sich die andere Person zurückzieht oder zum Gegenangriff ausholt.“
durchatmen?
Im Notfall hilft es, sich eine Auszeit zu nehmen und später weiterzusprechen oder sich die simple Frage zu stellen: Will ich unsere Beziehung wirklich verbessern und eine gute Lösung für uns beide finden oder lieber Frust ablassen? Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich in einer ruhigen Phase mit den eigenen roten Knöpfen vertraut zu machen, die einen schnell wütend oder ängstlich werden lassen.
Dann geht es darum, einen guten Zeitpunkt für das Gespräch zu finden. „Es hilft, die andere Person zu fragen, ob sie Zeit hat für ein Gespräch hat anstatt sie zu überrumpeln“, bekräftigt die Mediatorin. „Dabei lautet die Grundformel: ein Thema, ein Gespräch.“ Ein Konflikt eskaliert nämlich leichter, wenn vieles auf einmal besprochen und Dinge aus der Vergangenheit hervorgeholt werden. „Man findet dabei keine Lösung, sondern lädt ab, was einen schon lange beschäftigt.“
Die wichtigsten Tools zum richtigen streiten
Sind laut Monika Schwaighofer neben einem klugen Zeitmanagement die sprachliche Achtsamkeit und das richtige Zuhören. „Triggerworte oder Pauschalurteile wie ‚immer bist du so…‘ machen es schwierig. Wir verurteilen den Menschen als Ganzes und nicht sein konkretes Verhalten.“
Auch das Zuhören fällt vielen schwer. Meistens überlegen wir uns ein Argument, während die andere Person noch spricht. „In der Praxis gibt es in dieser Sequenz oft viele Aha-Erlebnisse“, erzählt Monika Schwaighofer. „Es geht um das Hinspüren, was bei der anderen Person gerade los ist und sich in ihre Welt hineinzuversetzen. Fragend Interesse am Gegenüber zu zeigen, wie zum Beispiel ‚Und du bist jetzt verärgert, weil du dir mehr Unterstützung von mir erwartet hast?‘, lenkt Gespräche zuverlässig in positive Bahnen“, weiß die Expertin.
Angegriffen fühlen sich übrigens eher jene, die sich vorab wenig Gedanken über ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zu dem strittigen Thema gemacht haben: „Wer seine Position und Wünsche geklärt hat, ist entspannter und kann mit Gegenwind gelassener umgehen.“ Schwieriger wird das Ganze, wenn ein Part Konflikte so gar nicht gerne angeht.
Vermeidung
Unsere Haltung zu Streit ist wesentlich für unsere Streitkultur. „Leider haben viele schon als Kind gelernt, Konflikte unter den Teppich zu kehren“, meint die Mediatorin. „In unseren Köpfen ist Streiten noch immer etwas Negatives. Mit Sätzen wie ‚Kinder, hört auf zu streiten‘, macht man deutlich, dass Konflikte etwas Schlechtes sind.“
Sich die Hintergründe für das eigene Vermeidungsverhalten bewusst zu machen, kann für beide Parteien nützlich sein. „Dann muss man in die Meta-Kommunikation gehen und sich über das ‚Wie‘ der Auseinandersetzung unterhalten. Auch die andere Person fragen, in welchem Rahmen es für sie möglich ist, ein heikles Thema zu besprechen.“
Das gemeinsam gesetzte Ziel, dass es beiden Parteien am Ende emotional besser gehen soll, kann dem vermeidenden Part Sicherheit geben. Manchmal gehe die Fantasie mit einem durch und man malt sich aus, was passieren könnte, wenn man sich dem Konflikt stellt, weiß die Mediatorin. Auch Coachings können hilfreich sein.
Ein Kochrezept, wann ein Paar zu viel oder zu wenig streitet, gibt es übrigens nicht: „Manche Paare streiten so oft, dass es anderen Menschen bereits unangenehm auffällt. Sie selbst kommen aber bestens damit klar. Für viele Paare sind die kleinen Zankereien wie das Salz in der Suppe, das ihre Beziehung lebendig hält.“ Eine Belastung für die Beziehung wird es, wenn ein Part ein weitaus höheres Streitbedürfnis hat als der andere.
Dann braucht es wieder ein Gespräch über das ‚Wie‘ der Gesprächsführung bei strittigen Themen. „Wer merkt, dass die Auseinandersetzungen, die die andere Person immer wieder provoziert, an den eigenen Nerven zehren, sollte das ansprechen. In diesen Fällen ist es durchaus sinnvoll, sich externe Hilfe zu holen.“ Ein positiv bewältigter Konflikt bedeutet dann persönliches Wachstum und stärkt das Selbstvertrauen, künftig gute Lösungen für heikle Themen zu finden.
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