Glücklichsein: Ist es wirklich erlernbar?

Expertin im Interview: Kann man Glücklichsein wirklich lernen?

Wird Glück wirklich mehr, wenn man es teilt?

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Wir haben bei Psychologin und Glücksforscherin Melanie Hausler nachgefragt. Fragt man Menschen, wonach sie im Leben streben, so zählt Glücklichsein zu den am häufigsten genannten Faktoren. Doch so gerne wir dem postkartengleichen, immer zufrieden lächelnden und rundum glücklichen Instagram-Ideal nacheifern möchten, so oft werden wir von der Realität eingeholt. Die Sache mit dem Glücklichsein ist eben doch nicht so einfach, wie man denkt. Welche Faktoren für ein glückliches Leben wirklich ausschlaggebend sind und warum ein neues Auto nicht dazu zählt, erklärt Psychologin Melanie Hausler im Interview.

Gibt es eine allgemeingültige Formel für das Glücksein? Oder anders ausgedrückt: Gibt es etwas, das jeden Menschen glücklich(er) machen kann?

Melanie Hausler: Die Wissenschaft forscht seit vielen Jahren an verschiedenen Glücksfaktoren. Und auch wenn das Glückserleben individuell ist, haben sich einige Dinge herauskristallisiert, die dafür besonders bedeutsam sind. Die Investition in persönliche Beziehungen beispielsweise: Gute, zuverlässige Freundschaften sowie eine stabile Liebesbeziehung bieten Halt in schwierigen Lebenssituationen. Ebenso förderlich sind ein Job oder Hobbys, in denen wir unsere Fähigkeiten und Stärken einsetzen können und, die uns den berühmten „Flow“ erleben lassen. Mehr Geld führt zwar nicht zwangsläufig zu mehr Glück, aber trotzdem braucht jeder Mensch genügend finanzielle Ressourcen, um die Grundbedürfnisse zu erfüllen und sich hin und wieder Extras wie einen Urlaub gönnen zu können. Auch tägliche Bewegung, eine bewusste Ernährung sowie ein guter und vor allem ausreichender Schlaf tragen zum Glücklichsein bei.

Glücklich sein: Freundschaften sind besonders wichtig
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Das heißt, man kann Glück trainieren?

Ja. Die Positive Psychologie, die sich mit der Erforschung von positiven Emotionen, Eigenschaften und Verhaltensweisen beschäftigt, hat gezeigt, dass es möglich ist, Glück zu lernen. Glück ist allerdings vielmehr ein Prozess als ein Dauerzustand. Menschen können lernen, Glück zu kultivieren, indem sie positive Gewohnheiten und Gedankenmuster entwickeln, sich auf die Dinge konzentrieren, die ihnen Freude bereiten, und auf ihre persönlichen Werte und Überzeugungen achten. Setzen Sie sich realistische Ziele und wachsen Sie an den Herausforderungen. Helfen Sie anderen und engagieren Sie sich in freiwilliger Arbeit oder anderen sozialen Aktivitäten – das kann schon viel bewirken.

Ist es möglich, sich an ein gewisses Level an Glück zu gewöhnen? Oder braucht es immer wieder negative Erfahrungen, um das Glück wieder als solches schätzen zu können?

Es ist möglich, sich an ein gewisses Level an Glück zu gewöhnen, aber das bedeutet nicht, dass sich das Glück nicht mehr verändern lässt. Das menschliche Gehirn ist in der Lage, sich an bestimmte Erfahrungen und Umstände anzupassen. Man spricht hier auch von der sogenannten „hedonistischen Anpassung“. Das bedeutet, dass Menschen sich nach einer Weile an positive oder negative Ereignisse gewöhnen können und sie als normal empfinden. Beispielsweise können ein neues Auto oder ein neues Haus anfangs ein hohes Maß an Glück auslösen. Im Laufe der Zeit geht das Glücksniveau jedoch zurück, weil die Dinge als selbstverständlich angesehen werden. Allerdings heißt das nicht, dass negative Erfahrungen notwendig sind, um das Glück wieder schätzen zu können. Vielmehr kann es hilfreich sein, sich auf die positiven Aspekte des Lebens zu konzentrieren, um das Glücksniveau zu erhalten oder zu erhöhen.

Nice to know!

Dankbarkeit und Achtsamkeit können dazu beitragen, dass man sich regelmäßig daran erinnert, wie glücklich man ist. Negative Erfahrungen sind aber genauso ein normaler Teil des Lebens. Sie können als Gelegenheit betrachtet werden, um zu lernen und zu wachsen, und als Vergleichsgrundlage für das Schätzen der positiven Aspekte des Lebens dienen.

Glücklichsein: Worauf es ankommt und wie wir es lernen können
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Glück ist kein Dauerzustand, sondern ein Prozess.

Melanie Hausler
Ist Glück die Steigerungsform von Zufriedenheit oder sind diese Begriffe Ihrer Ansicht nach voneinander zu trennen?

Dazu ist es erst einmal wichtig, zu definieren, was Glück eigentlich ist. Die Positive Psychologie differenziert hier zwischen dem Wohlfühl- und dem Werteglück. Das Wohlfühlglück bezieht sich auf das eher kurzfristige subjektive Wohlbefinden einer Person und beinhaltet das Erleben von positiven Gefühlen sowie die Lebenszufriedenheit. Das Werteglück hingegen basiert auf den langfristigen Werten und Überzeugungen einer Person. Beide Arten von Glück sind wichtig und wirken zusammen, um das allgemeine Wohlbefinden einer Person zu fördern. Eine Balance zwischen Wohlfühlglück und Werteglück trägt dazu bei, dass eine Person ein erfülltes und glückliches Leben führt.

Um die Frage zu beantworten: Glück und Zufriedenheit sind nicht unbedingt Steigerungsformen voneinander. Obwohl sie miteinander verbunden sind und oft als Komponenten des Wohlfühlglücks betrachtet werden, sind sie dennoch voneinander zu unterscheiden. Zufriedenheit bezieht sich auf die Bewertung unserer Lebensbedingungen und die Einschätzung, dass unsere Bedürfnisse und Erwartungen erfüllt sind. Es ist eher ein kognitives Konzept, das auf unseren Bewertungen und Urteilen beruht. Glück hingegen bezieht sich auf ein emotionales Erlebnis, das mit positiven Gefühlen wie Freude, Begeisterung oder Glückseligkeit verbunden ist. Glück ist eher ein affektives Konzept, das auf unseren momentanen Emotionen und Erfahrungen beruht. Insgesamt können Zufriedenheit und Glück als verschiedene, aber dennoch verwandte Aspekte des Wohlbefindens betrachtet werden. Während Zufriedenheit auf unseren Bewertungen unserer Lebensbedingungen basiert, bezieht sich Glück eher auf unsere momentanen Erfahrungen und Emotionen.

„Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt“ – stimmt das Ihrer Erfahrung nach? Sind Menschen gemeinsam wirklich glücklicher als alleine?

Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass Menschen tatsächlich glücklicher sind, wenn sie ihr Glück mit anderen teilen. Positive Beziehungen und Interaktionen mit anderen Menschen sind generell ein zentraler Faktor für unser Werteglück: In Langzeitstudien wurde die Erfüllung unseres sozialen Grundbedürfnisses als wichtigster Faktor für das Wohlbefinden und die Lebensqualität identifiziert. Natürlich hat aber jeder Mensch unterschiedliche Präferenzen und Bedürfnisse, wenn es um das Teilen persönlicher Glücksmomente geht – manche möchten sie lieber alleine genießen. Daher ist die Beantwortung dieser Frage auch sehr individuell zu betrachten.

Glücklich sein: Darauf kommt es wirklich an
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Stichwort toxische Positivität: Kann der Druck, glücklich zu sein und immer das Positive zu sehen, auch kontraproduktiv sein?

Ja, das ist möglich. Toxische Positivität bezieht sich auf die Idee, dass wir uns gezwungen fühlen, immer gut drauf zu sein. Das kann zu einer unrealistischen und oberflächlichen Vorstellung von Glück führen. Der Druck, immer glücklich zu sein, kann auch dazu führen, dass wir uns bei einer Nicht-Erfüllung dessen schuldig oder minderwertig fühlen. Dies kann zu einem Teufelskreis führen. Aus psychologischer Sicht ist es jedoch wichtig, zu erkennen, dass es zu einem gewissen Grad völlig normal und Teil des menschlichen Lebens ist, unangenehme Emotionen zu erleben und mit Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert zu werden. Ich betrachte unangenehme Gefühle als Wegweiser, die uns auf „frustrierte“ Bedürfnisse hinweisen können – zum Beispiel zu wenig Anerkennung oder Autonomie. Wären sie nicht da, wüssten wir auch nicht, was wir brauchen. Eine gesunde Einstellung gegenüber Glück und Wohlbefinden besteht darin, ein realistisches Verständnis davon zu haben. Das Leben hat Höhen und Tiefen und es ist wichtig, unsere negativen Erfahrungen und Emotionen anzuerkennen und angemessen damit umzugehen.

Was macht Sie persönlich glücklich?

Privat liebe ich es zum Beispiel, ein entspanntes Wochenende zusammen mit meinem Partner zu verbringen, ausgiebig mit meinen Freund:innen zu reden und gemeinsam zu lachen oder mit meiner Katze bei einer Tasse Tee auf der Sonnenliege zu entspannen. Beruflich erfüllt es mich in meiner psychologischen Praxis ungemein, Menschen auf ihrem Weg zum Glück ein Stück begleiten zu dürfen und im Rahmen von Vorträgen, Workshops und meinen Büchern konkrete „Glücksrezepte“ zu vermitteln, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen.

Über

Melanie Hausler ist Psychologische Psychotherapeutin, Klinische und Gesundheitspsychologin, Arbeits- und Organisationspsychologin, Trainerin für Positive Psychologie sowie Autorin von „Glückliche Kängurus springen höher“.

Melanie Hausler im Interview über Glücklichsein.
© Birgit Pichler

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