4 Freunde liegen auf einer Decke und lachen

Freundschaft. Gemeinsam durch dick & dünn.

Manche bleiben ewig, andere nur für bestimmte Lebensphasen: Freund:innen. Wie diese wichtige Bindung zwischen Menschen entsteht und wie sie sich im Laufe des Lebens verändert.

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© Unsplash/Simi Iluyomade

„Freunde verdoppeln die Freude und halbieren das Leid“, schrieb bereits der englische Philosoph Francis Bacon im 17. Jahrhundert. Auch heute noch sind Freund:innen in den Leben der Menschen zentral. Sie geben uns Sicherheit, unterstützen uns in allen Lebenslagen und helfen uns dabei, ganz wir selbst zu sein. Aber ab wann zählt eigentlich jemand als Freund:in? Was macht echte Verbundenheit aus? Und wieso fällt es uns im Alter oft so schwer, neue Bekanntschaften zu knüpfen? Sabine Flick ist Soziologin und hat sich in ihrer Forschung auf das Thema Freundschaft spezialisiert. Unter anderem untersucht sie, wie Freundschaften Menschen in psychischen Krisen unterstützen können. Im Interview berichtet sie, warum Freundschaften an verschiedene Lebensphasen geknüpft sind und wieso diese besonderen Beziehungen so wichtig für uns sind.

Im interview mit soziologin Sabine Flick

Was unterscheidet eine Freundschaft von anderen Beziehungen, zum Beispiel Paarbeziehungen?
Sabine Flick: Meist geht man davon aus, dass Freundschaft freiwillig zwischen zwei Menschen passiert, die nicht miteinander verwandt sind. Die Unterscheidung zwischen Freundschaft und Beziehung basiert klassischerweise darauf, dass in Freundschaften keine Sexualität vorhanden ist. Wobei diese Vorstellung heutzutage vermehrt in Frage gestellt wird – besonders in queeren Communities und bei jüngeren Menschen, bei denen es flexiblere Konzepte gibt. Deswegen ist diese Trennlinie nicht mehr so klar zu ziehen. Ein zentraler Unterschied besteht jedoch darin, dass Freundschaften relativ frei gestaltet werden können. Es gibt weniger gesellschaftliche Erwartungen und Normen, im Gegensatz zu klaren Vorstellungen darüber, wie Paarbeziehungen funktionieren sollten.

Zwei Freunde beim Skateboarden
© Pexels/Tim Samuel

Warum brauchen wir Freundschaften in unserem Leben?
In klassischer Weise wird Freundschaft als Kompensation gedeutet, insbesondere in krisenbehafteten Zeiten. Sie ermöglichen es uns jedoch vor allem, authentisch zu sein und uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind. Ein:e Freund:in ist jemand, der:die uns in einer Weise kennt, ohne dass wir uns gesellschaftlichen Erwartungen unterwerfen müssen, die oft in romantischen Beziehungen existieren. In einer Freundschaft zählt nicht, ob man schlank, erfolgreich im Beruf oder in der Lage ist, eine Familie zu ernähren. Es geht vielmehr darum, dass die Person einen bedingungslos akzeptiert, unabhängig von ihren aktuellen Lebensumständen. Freundschaften dienen auch als wichtige Ressource für Fürsorge und ermöglichen offene Gespräche, denn es geht dabei in vielen Fällen um den Austausch von intimerem Wissen.

Auch wir im Team haben uns gefragt, was uns Freundschaft bedeutet, und da kam ebenfalls häufig die Antwort: „Ich kann so sein, wie ich möchte, ohne verurteilt zu werden.“
Genau, das ist, glaube ich, wirklich ein großer Punkt. Wir leben in einem neoliberalen, kapitalistischen Gesellschaftssystem, und in diesem spielen Bewertung und Leistungsstärke natürlich eine Rolle. Diese gibt es so in Freundschaften nicht. Jedoch muss man dabei auch sagen, dass man sich oft Freund:innen aus dem gleichen sozialen Milieu sucht und sich deswegen meist ähnlicher ist.

Unser soziales Milieu kann sich im Laufe des Lebens ändern. Ist das auch der Grund, wieso sich Freundschaften verändern?
Ja, auf jeden Fall. Freundschaft basiert ja auch auf Gemeinsamkeiten. Und wenn man aus zu verschiedenen Milieus kommt, kann das zu Schwierigkeiten führen. Veränderungen im Leben können auch Freundschaften verändern. Beispielsweise die Geburt von Kindern: Neue Eltern sind viel damit beschäftigt, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern, sodass sie möglicherweise weniger Zeit und Energie für soziale Aktivitäten haben. Das kann ändern, wie Freundschaften gepflegt werden. Es bedeutet aber nicht zwangsläufig das Ende dieser. Es erfordert Anpassungen und die Bereitschaft, die Veränderungen zu akzeptieren.

Sabine Flick Portrait
© Holger Priedemuth

Anstatt sich wie in Paarbeziehungen zu trennen, laufen nicht mehr passende Freundschaften meist eher aus. Woran liegt das?
Das bereits genannte Fehlen eines „Regelwerks“ für Verhaltensweisen in Freundschaften trägt dazu bei, dass Freundschaften weniger ritualisiert sind. In Paarbeziehungen gibt es häufig klare Rituale wie Hochzeiten oder Scheidungen. Im Gegensatz dazu werden in Freundschaften Probleme meist weniger offensiv angegangen. So können diese stillschweigend verblassen, da es keine festen Regeln dafür gibt, wie sie aufrechterhalten oder beendet werden sollten. Wobei man auch sagen muss, dass wir nicht immer so idealistisch auf Paarbeziehungen schauen sollten – da gibt es auch viele eher schleichendere Trennungen.

Wie kann man Freundschaften am besten pflegen? Und wie funktioniert das, auch wenn wir uns nicht physisch nahe sein können?
In Bezug auf die Aufrechterhaltung von Freundschaften, besonders über Distanz hinweg, ist die Bedeutung von Kommunikation und gemeinsamen Interessen wichtig. Früher hat man auch nicht immer am gleichen Ort gewohnt und dann beispielsweise per Brief kommuniziert, heute geschieht das via Messenger-Dienste oder Telefonanrufe. Es gibt keine festen Regeln für die Pflege von Freundschaften, da dies von den individuellen Vorlieben und Vereinbarungen abhängt. Wenn Freundschaften in Schwierigkeiten geraten, kann es hilfreich sein, sich auf gemeinsame Interessen und Aktivitäten zu konzentrieren. Offene Kommunikation über Probleme oder Missverständnisse ist ebenfalls wichtig, um die Qualität der Freundschaft zu verbessern.

Warum fällt es uns im Alter oft schwer, neue Freundschaften zu knüpfen?
Es könnte darauf zurückzuführen sein, dass Erwachsene ihren innersten sozialen Kreis oft bereits ausgebildet haben. Die Anzahl der engen Freund:innen hat in der Regel eine begrenzte Kapazität, da diese viel Zeit und emotionale Ressourcen benötigen – meist etwa drei bis vier enge Freund:innen. Aber auch die sich ändernden Lebensumstände im Erwachsenenalter können ein Grund sein. Es kann schwierig sein, neue soziale Verbindungen zu knüpfen, wenn der Alltag stark von bestehenden Verpflichtungen geprägt ist. Dies kann sich jedoch immer wieder ändern. Beispielsweise bei Menschen, die im Altersheim leben: Dort haben sie neue Kontakte, und so entstehen auch häufig neue Verbindungen. Auch wenn die Rahmenbedingungen im Erwachsenenalter in vielen Fällen herausfordernder sind als bei Kindern, zeigt das also, dass es nie zu spät ist, neue Freundschaften zu schließen.

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