Climate Quitting: Was hinter dem Trend steckt

Was ist Climate Quitting?

"Ich bin dann mal weg": Was es mit dem Trend „Climate Quitting“ auf sich hat.

5 Min.

© Pexels/Cottonbro Studio

Vor knapp einem Jahr zog Magdalena die Reißleine: Die studierte Marketingmanagerin kündigte ihren Job in einem großen Unternehmen, obwohl sie zufrieden war – mit der Tätigkeit und auch mit ihrem Gehalt. Doch ein entscheidender Punkt störte sie: Ihr ehemaliger Arbeitgeber zeigte nur wenig Interesse an Nachhaltigkeit und Klimaschutz.

Die Geschichte der 29-Jährigen ist kein Einzelfall: Immer mehr Menschen, vor allem Millenials und die Gen Z, entscheiden sich bewusst gegen Arbeitgebende, deren Werte nicht mit den eigenen Überzeugungen in Sachen Umwelt übereinstimmen.

Climate Quitting: Was hinter dem Trend steckt
© Pexels/Cottonbro Studio

Ein Zeichen setzen mit Climate Quitting

Für eine Kündigung der Umwelt und des Klimas zuliebe hat sich der Begriff „Climate Quitting“ etabliert. Dabei handelt es sich jedoch nicht immer um radikale Brüche, wie Magdalena aus ihrer Erfahrung berichtet: „Ich wollte nicht mehr nur für Umsatzsteigerung arbeiten, während gleichzeitig der ökologische Fußabdruck des Unternehmens keine Rolle spielt. Also suchte ich gezielt nach einer neuen Herausforderung in einem Betrieb, der echte Umweltstandards setzt.“ Mittlerweile arbeitet sie bei einem Start-up, das sich auf nachhaltiges Produktdesign spezialisiert hat – und fühlt sich beruflich wie persönlich erfüllt.

Wettbewerbsfaktor

Magdalena ist eine von vielen, für die das Thema immer wichtiger wird. Laut des Kununu-Nachhaltigkeitschecks 2024 geben 62 Prozent der Mitarbeiter:innen an, dass ihnen Umweltschutz bei der Auswahl eines Arbeitgebers wichtig bis sehr wichtig ist. Doch was bedeutet das für Unternehmen, die bisher wenig oder gar nicht nachhaltig agieren? Für viele Arbeitgeber:innen wird der Klimawandel nicht nur zu einem globalen Problem, sondern auch zu einem handfesten Recruitingrisiko.

Firmen, die sich glaubwürdig positionieren, haben die Chance, engagierte Talente zu gewinnen – wer jedoch beim Thema Klimaschutz auf die Bremse tritt, riskiert, junge und kompetente Arbeitskräfte zu verlieren. Für Unternehmen dürfe Nachhaltigkeit deswegen nicht mehr nur ein Marketinginstrument oder ein „Nice-to-have“ sein, sondern sei ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Talente. „Gerade bei Fachkräften wird es immer wichtiger, glaubwürdig zu zeigen, wie man als Unternehmen Verantwortung übernimmt“, erklärt Sebastian Wesserle, Experte für Employer Branding und Gründer von Angeheuert Recruiting.

Climate Quitting: Was hinter dem Trend steckt
© Pexels/Cottonbro Studio

Stiller Protest

Das Phänomen „Climate Quitting“ ist dabei mehr als nur ein individueller Jobwechsel, es steht auch für einen Wertewandel in der Gesellschaft. Arbeit wird zunehmend als Möglichkeit gesehen, den eigenen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen und aktiv an einer besseren Welt mitzuwirken. „Das ist eine Form des stillen Protests, der die Unternehmenswelt aufrütteln kann“, so Wesserle weiter.

Arbeitnehmer:innen wie Magdalena zeigen, dass die eigene berufliche Laufbahn nicht mehr nur durch die Karriereleiter definiert wird. Stattdessen rückt die Frage in den Vordergrund: Welchen Beitrag leiste ich – und mein:e Arbeitgeber:in – zur Lösung globaler Herausforderungen?

Alles nur Greenwashing?

Doch nicht alle Unternehmen, die auf den Nachhaltigkeitszug aufspringen, tun dies aus echter Überzeugung. Greenwashing, also der Versuch, sich mit oberflächlichen Maßnahmen ein umweltfreundliches Image zu geben, kommt immer häufiger vor. „Ich habe in Bewerbungsgesprächen oft nachgefragt, was Unternehmen konkret für den Klimaschutz tun“, erzählt Magdalena.

„Viele konnten zwar mit tollen Marketingkampagnen punkten, aber auf Nachfrage zeigte sich schnell, dass dahinter wenig Substanz steckt.“ Ihr Rat an alle, die sich beruflich neu orientieren wollen und dabei das Klima im Blick behalten möchten: „Genau hinschauen, nachhaken und sich nicht nur von hübschen Schlagwörtern blenden lassen.“

Climate Quitting: Was hinter dem Trend steckt
© Pexels/Cottonbro Studio

Neue Chancen mit Climate Quitting

Climate Quitting betrifft – wenig überraschend – vor allem Unternehmen mit einer schlechten Klimabilanz. Insbesondere die fossile Energiewirtschaft, die Schwerindustrie sowie stark konsumorientierte Bereiche wie die Fast-Fashion-Industrie oder die Produktion von Einwegplastik riskieren, Arbeitskräfte zu verlieren.

Gleichzeitig ermöglicht der Fokus auf das Klima auch neue Berufsfelder: Energieberatung, Umwelttechnik oder Nachhaltigkeitsmanagement sind Berufe mit Zukunft, die eine aktive Mitgestaltung einer nachhaltigeren Welt ermöglichen können. Dies zeigt sich nicht nur in den Stellenangeboten, sondern auch in der akademischen Ausbildung: Immer mehr Universitäten und Hochschulen bieten spezialisierte Studiengänge für Nachhaltigkeit, Umwelttechnik oder Klimawandelmanagement an.

Die Zukunft ist grün

„Climate Quitting“ ist ein deutliches Signal: Viele Menschen wollen nicht mehr länger Teil von Unternehmen sein, die die Dringlichkeit des Klimaschutzes ignorieren. Der Trend ist jedoch nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine große Chance für Arbeitgebende, die Nachhaltigkeit ernst nehmen. Wer sich glaubwürdig für Umwelt und Gesellschaft einsetzt, kann nicht nur Talente gewinnen, sondern auch langfristig eine starke Marke aufbauen, die Veränderungen mit vorantreibt.

Für Magdalena war der Wechsel zu einem nachhaltigen Unternehmen die richtige Entscheidung. „Ich habe das Gefühl, mit meiner Arbeit wirklich etwas bewirken zu können. Das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.“ Ihr Beispiel zeigt: Die Frage nach dem Warum wird in der Arbeitswelt immer wichtiger. Und die Antwort darauf könnte die Arbeitswelt von morgen schon heute verändern.

WAS IST CLIMATE QUITTING?

Climate Quitting bezeichnet den Trend, bei dem Arbeitnehmer:innen ihre Jobs kündigen oder bewusst Unternehmen meiden, die nicht ausreichend nachhaltige oder umweltfreundliche Maßnahmen ergreifen. Dieser Wandel wird oft von ethischen Überzeugungen, Klimabewusstsein und dem Wunsch nach einer sinnstiftenden Tätigkeit angetrieben.

Das könnte dich auch interessieren

Mehr zur Autorin dieses Beitrags:

Kultur-Redakteurin Tjara-Marie Boine bei der TIROLERIN
© TIROLERIN

Tjara-Marie Boine ist Redakteurin für die Ressorts Business, Leben und Kultur. Ihr Herz schlägt für Katzen, Kaffee und Kuchen. Sie ist ein echter Bücherwurm und die erste Ansprechpartnerin im Team, wenn es um Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung geht.

Abo

Die TIROLERIN – immer mit dabei

×