Gans Anders Festival: Gänsehaut beim Ententanz
Das Innsbrucker Gans Anders Festival im Fokus.
© Erik Winter
Wenn sich tausende glitzernde Menschen am Innsbrucker Baggersee tummeln, bunte Seifenblasen durch die Gegend fliegen und elektronische Musik aus den Anlagen direkt in Herz und Tanzbein strömen, ist es wieder so weit: Das Gans Anders Festival ist zurück. Dieses findet heuer bereits zum dritten Mal statt. Vom 22. bis zum 24. September stehen dann wieder drei Tage ganz im Zeichen von Musik, Kunst, Kreativität und Verbundenheit.
Hinter der Organisation steckt eine nichtkommerzielle Gemeinschaft aus Studierenden, Musiker:innen, Handwerker:innen, Gastronom:innen und Kreativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Subkultur in Innsbruck zu unterstützen, zu fördern und nachhaltig zu bewahren. Im Gespräch mit der TIROLERIN berichten die beiden Geschäftsführer Dennis Übelhör und Ferdinand Wollin, wie die Idee zum Festival entstanden ist, auf welche Hindernisse sie dabei gestoßen sind und warum es so wichtig ist, bei der Feierkultur in der Tiroler Landeshauptstadt auf Gemeinschaft zu setzen.
kreative Synergie
„Zuerst haben wir mit kleineren Raves angefangen, die sich jedoch nicht ganz im legalen Rahmen bewegt haben“, berichtet Dennis am Anfang unseres Interviews. „Wir haben jedoch schnell gemerkt, dass wir die Kulturszene in Innsbruck gerne mehr pushen würden und dass es im illegalen Raum einfach sehr wenig Möglichkeiten dafür gibt. Daraus ist dann die Idee entstanden, das Kollektiv Gans Anders zu gründen.“ Anfänglich als Kulturverein organisiert, entschieden sich die beiden Studenten gemeinsam mit ihrem Team aus ungefähr 15 Leuten dafür, eine GmbH zu eröffnen.
„Man kann so viel größere Bühnen bauen, coolere Acts buchen und hat generell viel mehr Möglichkeiten. Deswegen haben wir gesagt, dass wir das ganz anders machen könnten“, so Ferdinand. Gesagt, getan. Als die Bundesregierung Anfang 2021 das Förderprogramm „Frischluft – Kunst im Freien“ ins Leben rief, um Kulturveranstaltungen nach der Corona-Pandemie zu fördern, reichte das Gans-Anders-Team seinen Vorschlag für ein größeres Festival ein. „Am Ende haben wir diese Förderung leider nicht bekommen, trotzdem war es der Startschuss für unsere erste Veranstaltung.“
Wir wollen zeigen, dass Festivals auch anders gehen.“
Ferdinand Wollin
Schritt für schritt.
Gemeinsam arbeiteten sich die beiden Freunde, die sich bereits aus Schulzeiten kennen, in die Auflagen ein, um ein Festival in der Tiroler Landeshauptstadt auf die Beine zu stellen. „Das hat uns am Anfang natürlich erst einmal vor Herausforderungen gestellt, da wir uns die Gesetze anschauen mussten, was man bei solchen Veranstaltungen darf und was nicht und wie man das Ganze steuerlich regeln muss“, erzählt Dennis. „Auch der finanzielle Druck war anfänglich etwas, mit dem wir erst einmal lernen mussten umzugehen.“
Nach einer längeren Suche nach dem idealen Standort fand das erste Festival dann auf einer Wiese hinter dem Baggerseeareal statt. Im Jahr darauf bekam das Kollektiv die Erlaubnis der IKB und des Baggersees, die Veranstaltung direkt auf dem Baggerseeareal stattfinden zu lassen. „Unserer Meinung nach ist das eins der besten Gelände, die man in Innsbruck finden kann“, so Ferdinand. Dort wird heuer nun bereits zum dritten Mal in enger Zusammenarbeit mit lokalen und überregionalen Partner:innen eine Utopie geschaffen, die auf der Kombination aus Neuem, Gefundenem, Altbewährtem und der Liebe zur kreativen Vielfalt basiert.
gelebte Werte beim gans anders festival.
Bei der Organisation des Gans Anders Festivals will das Kollektiv vor allem auf Toleranz, Diversität und Nachhaltigkeit setzen. „Das sind einfach generelle Werte, die unserem Team sehr wichtig sind und die wir privat und auch im Arbeitskontext leben möchten“, so die Geschäftsführer. Beispielsweise sei das Ziel im Booking
50 Prozent weibliche und 50 Prozent männliche Acts zu finden, auch wenn sich dies nicht immer ganz einfach gestalten ließe: „Heuer werden es wahrscheinlich 60 Prozent männliche und 40 Prozent weibliche Künstler:innen in unserem Line-up werden. Wir steigern uns da jedes Jahr sehr gut.“ Auf dem Programm stehen dann verschiedenste Bands, DJs und Live Acts sowie Workshops und Jam-Bereiche, um der Kreativität freien Lauf lassen zu können. Auch Nachhaltigkeit und Umweltschutz liegen dem Kollektiv besonders am Herzen. „Wir achten beispielsweise darauf, dass unsere Acts nicht eingeflogen werden, sondern mit dem Zug anreisen.“ Schaue man sich größere kommerzielle Festivals an, gebe es vor allem bei diesem Thema Schwierigkeiten. „Auch wenn so etwas uns oft vor Herausforderungen stellt, wollen wir diese Punkte unbedingt umsetzen, weil es uns persönlich so wichtig ist und wir auch kein Geld damit verdienen. Wir wollen zeigen, dass Festivals auch anders gehen.“
Aus Liebe zur Regionalität.
Dass es generell mehr solcher Kulturveranstaltungen in Innsbruck und Umgebung geben sollte, halten die beiden Freunde und Geschäftspartner für sehr wichtig. „Kulturell bietet ein Festival auf jeden Fall ein Erlebnis für verschiedene kulturelle Facetten“, so Ferdinand. „Sei es Musik, Performances, Kunstinstallationen oder Essen.“
Aber auch die Faktoren Tourismus und Wirtschaft seien wichtige Punkte. „Die Umsätze unseres Festivals fließen zu 70 bis 80 Prozent in Tiroler Unternehmen oder Kulturvereine wie Veranstaltungsverleihe, Essensstände oder Künstler:innen aus der Region. Dass so etwas einen wichtigen wirtschaftlichen Mehrwert für Tirol hat, wird oft vergessen, wenn über Festivals gesprochen wird.“ Dabei setzt das Gans-Anders-Kollektiv auch darauf, verschiedenste Kunstschaffende, Kulturvereine und Kollektive zu verbinden. „Heuer haben wir beispielsweise viel mit Bonanza, Arche*Ahoi, John Montagu oder der Tante Emma zusammengearbeitet“, erzählen die zwei. Das sei in einer Stadt wie Innsbruck von großer Bedeutung. „In so einer kleinen Stadt gibt es einfach nicht so viele Kulturschaffende, und da ist es wichtig, dass man zusammenhält. Denn wenn wir die Kultur nach vorne bringen wollen, muss man geeint miteinander arbeiten, um auch unsere gemeinsamen Interessen gegenüber Politik und Gesellschaft hervorzubringen“, so Dennis.
Der Traum vom freien Raum.
Neben dem Festival am Baggerseeareal stellt das Team rund um Gans Anders mittlerweile auch kleinere Veranstaltungen auf die Beine – wie beispielsweise eine Silvesterfeier im alten Theresienbräu oder legale Raves in St. Bartlmä. Jedoch fehle es einfach an Raum für Zusammenkünfte und Veranstaltungen – sowohl öffentliche und barrierefreie als auch konkrete Veranstaltungsorte, die man anmieten könnte.
Vor allem für Veranstaltungen mit 300 bis 800 Besucher:innen gäbe es eine große Lücke, seitdem das Hafenareal, das Weekender oder das Stadtcafé nicht mehr existieren. Das treffe besonders junge Menschen hart. „Grundsätzlich haben wir einen guten Draht zur Stadt Innsbruck, jedoch würden wir uns hier mehr Förderungen wünschen“, so Dennis. „In Tirol ist man halt immer in den Bergen, und überall ist ein Kessel, der die Musik bis zu den Anrainer:innen trägt, was natürlich noch einmal die Herausforderung der Lärmstörung mit sich bringt“, ergänzt Ferdinand. Veranstaltungen im freien Raum seien deswegen laut Gesetz nur bis 22 Uhr erlaubt. „Das ist auch leider einer der großen Kritikpunkte unserer Gäste, dass das Festival nicht so lange geht – aber da sind wir natürlich an die Gesetze gebunden.“ Um dieses Problem anzugehen, sei es deswegen wichtig, nicht nur die Regierung und die Stadt miteinzubeziehen, sondern auch die Anrainer:innen, um gemeinschaftlich Lösungen zu finden.
Hoffnungsschimmer.
„Wenn wir die Kultur in Innsbruck nach vorne bringen wollen, müssen wir geeint miteinander arbeiten.“
Dennis Übelhör
Auch das Überleben des Gans Anders Festivals stehe momentan auf der Kippe, die Entscheidung dafür falle in diesem Jahr, so Dennis und Ferdinand: „Wir haben die meisten Kosten privat gestemmt und nehmen auch nichts ein. Wenn wir dieses Jahr nicht genug Tickets verkaufen, gibt es uns deswegen leider nächstes Jahr nicht mehr – und das wäre sehr schade, weil es eben so wenig Veranstaltungen dieser Art in Innsbruck gibt.“ Umso wichtiger sei es, dass mehr Druck auf die Politik ausgeübt werde, um Kulturveranstaltungen zu fördern: „Wir würden uns sehr wünschen, dass Veranstaltungen, die die Kultur in Innsbruck aufblühen lassen, mehr unterstützt werden und der Diskurs weiter vorangetragen wird“, fügen die beiden abschließend hinzu. Bis dahin werde in diesem September noch einmal mit viel Liebe, Vielfalt, Hoffnung und vor allem einer Menge Gänsehaut beim gemeinsamen Ententanz das Tanzbein geschwungen.
kontakt
Gans Anders Gmbh
Höhenstraße 60a
6020 Innsbruck
Tel.: +49 176 434 087 20
Mail: contact@gans-anders.com
Tickets unter: gans-anders.com/tickets
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