Eine Frau blickt lässig durch die Windschutzscheibe eines Cabrios

Wie man Fahrangst überwinden kann

Den Drive finden

6 Min.

© Pexels/ Cottonbro Studios

Angst vorm Autofahren betrifft mehr als jede dritte Frau – mal gelegentlich, mal so weit, dass man gar nicht mehr hinter dem Lenkrad sitzen möchte. Wir haben mit Psychologin Amelie Schönhuber sowie Fahrschulinhaberin Barbara Schwara über Fahrangst-Symptome, Ursachen und Handlungsmöglichkeiten gesprochen.

Studien belegen schon lange, was wir eigentlich alle wissen: Frauen können sehr wohl sehr gut Autofahren – und fahren sicherer auf unseren Straßen als Männer. Im Straßenverkehr verunglücken mehr als viermal so viele junge Männer tödlich wie junge Frauen. Und trotzdem betrifft Fahrangst weitaus mehr Frauen als Männer. “Fahrangst ist weiter verbreitet, als viele annehmen – insbesondere in milder Ausprägung. Aktuelle Umfragen zeigen, dass rund 30 Prozent der Autofahrer:innen in Deutschland zumindest gelegentlich Angst oder Unsicherheit beim Fahren empfinden”, erklärt Amelie Schönhuber, Psychologin in der Phobieambulanz Wien. 38 Prozent der befragten Frauen gaben 2024 an, Fahrangst zu kennen, immerhin ein Viertel der Männer kannte ebenso die Angst beim Fahren. Aktuelle Zahlen aus Österreich liegen uns bisher nicht vor, eine grenzübergreifende Tendenz lässt sich jedoch erkennen.

Wie viel Angst ist normal?

Kennen Sie das unangenehme Gefühl vor einer langen Autofahrt auf Ihnen noch unbekannten Straßen? Das muss kein Grund zur Sorge sein, Unsicherheiten sind immer wieder in unserem Alltag ein Faktor für Nervosität. Schweißgebadet nach jeder Fahrt aus dem Auto zu steigen, könnte hingegen auf Ängste hindeuten. “In der klinischen Praxis unterscheiden wir zwischen allgemeiner Unsicherheit beim Fahren und einer behandlungsbedürftigen Angststörung – etwa der sogenannten Amaxophobie, also der spezifischen Angst vor dem Autofahren. Letztere betrifft nur einen kleineren Teil der Bevölkerung”, erklärt Schönhuber im Gespräch. Aus psychologischer Sicht sei es wichtig, so Schönhuber, zwischen Angst, Panik sowie Anspannung in gewissen Situationen und einer phobischen Störung zu unterscheiden. “Wer beginnt, Fahrten grundsätzlich abzusagen oder sich nur unter bestimmten Bedingungen ans Steuer setzt, leidet meist an einer echten Fahrangst”, stellt Schönhuber klar.

Fehlende Freiheit

Leidet man unter Ängsten und meidet Fahrzeuge, dann schränkt man sich damit wesentlich im Alltag ein. Auch, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel oftmals ausreichen – manche Freizeitaktivitäten sind nicht möglich, berufliche Einschränkungen sind keine Seltenheit, Kinder von Terminen abholen wird kompliziert und Autos mieten in Urlauben liegt außerhalb der Vorstellungskraft betroffener Personen. Alleine die Vorstellung, sich hinter ein Steuer zu setzen kann körperliche Symptome wie Herzklopfen, Schweißausbrüche, Zittern, Schwindel, Atemnot oder Übelkeit auslösen, totale Vermeidung ist daher meistens das Resultat. Interessanterweise sind die Symptome bei Frauen und Männern oftmals dieselben, wie Schönhuber aufzeigt. Allerdings würden Frauen häufiger von Unsicherheits- oder Kontrollverlustgefühlen sprechen, Männer hingegen eher von Leistungsdruck und Versagensängsten.

Unsicherheit als häufige Ursache

Barbara Schwara gründete die Fahrschule Rosa Schein, die sich auf die Bewältigung von Fahrangst aus diversen Gründen spezialisiert hat. “Ich bin in der Fahrschulbranche aufgewachsen und habe schon früh erkannt, dass Autofahren für viele Menschen mit Stress und Angst verbunden ist. Deshalb kam mir die Idee, meine Ausbildung zur Shiatsupraktikerin mit meiner Tätigkeit als Fahrlehrerin zu verbinden”, erklärt Schwara im Interview ihr Konzept für “entspanntes Fahrtraining für Wiedereinsteiger:innen”. In der klassischen Fahrschulausbildung komme Fahrangst und der damit einhergehende Stress zu kurz, man müsse sich auf Eigeninititative weiterbilden, erklärt Schwara. Gründe für aufkommende Ängste könnten ganz unterschiedlich sein, so die Fahrlehrerin: “Das Fahren selbst ist oft stressig: Stau, Hupkonzerte, Parkplatznot. Oder es steht einfach kein Fahrzeug zur Verfügung. In beiden Fällen fehlt es an Praxis. Automatisierte Abläufe entwickeln sich nicht und es entsteht Unsicherheit.“ Weitere Ursachen können zudem erlebte oder beobachtete Unfälle oder Panikattacken am Steuer sein, hebt Psychologin Schönhuber hervor.

Lebensabschnitte als Auslöser

Neben Unsicherheiten auf der Straße können auch stressige Lebensphasen wie beispielsweise eine Trennung, Jobverlust, der Tod einer nahestehenden Person oder berufliche Überforderung Auslöser sein. Wie Schönhuber erklärt, können solche Erlebnisse die eigene Wahrnehmung so sehr beeinträchtigen, sodass sich die körperliche Grundanspannung maßgeblich erhöht. “Fahrangst ist oft ein Symptom von Überforderung und steht nicht selten im Zusammenhang mit Burnout. Viele Betroffene empfinden ihre Lebenssituation als ausweglos. Autobahnen, Brücken oder Tunnel werden dann zur Projektionsfläche – Orte, an denen man scheinbar ‘nicht rauskommt‘”, ergänzt Schwara zustimmend. “Unsere Aufgabe ist es, nicht nur die Straße zu zeigen, sondern die Sicherheit in sich selbst wiederzufinden”, so die Fahrleherin.

So gelingt der Wiedereinstieg

Was also, wenn man die eigene Angst vorm Fahren überwinden will? Sollte man sich knallhart mit Übung auf der Straße konfrontieren? “Ja, sofern keine akute Gefährdung besteht. Allerdings sollten Konfrontationen gut vorbereitet, kleinschrittig und begleitet erfolgen, idealerweise im Rahmen einer Therapie oder unter Anleitung”, hält Schönhuber fest. Denn der wichtigste Schritt, so die Psychologin, sei, die Angst nicht weiter zu vermeiden, sondern sich ihr in gesicherter Umgebung zu nähern. So könne man beispielsweise mit gezielter Konfrontation,  Atem- und Entspannungstechniken sowie dem Aufbau von Selbstsicherheit und Fahrpraxis gegen die Ängste im Auto arbeiten. Für Fahrlehrerin Schwara zählt dazu vor allem positive Fahrerlebnisse zu schaffen, um Negatives zu überschreiben. “Wenn Angst aufkommt, heißt es: nicht verdrängen – sondern wahrnehmen. Wo spüre ich sie? Wie fühlt sie sich an? Lässt sich etwas verändern? Dafür nutzen wir Atemübungen, Klopftechniken, Achtsamkeitsübungen, Gesang oder auch gezieltes Schreien.”

Neben der Option vor der Autofahrt eine Shiatsu-Massage zu machen und dann erst entspannt ins Fahrzeug zu steigen, arbeitet Schwara bei Rosa Schein auch mit Entspannungsmusik, beruhigenden Bachblüten und Entspannungspflastern. Ist man startklar, wird eine ruhige, vertraute Route ausgewählt, um Überforderungen zu vermeiden. Ein weiterer Trick von Schwara: Visualisierungen aus dem Mentaltraining. “Wer sich regelmäßig vorstellt, wie er oder sie ruhig und sicher fährt, stärkt das Vertrauen in sich selbst. Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen Vorstellung und Realität – mentale Fahrten zählen also mit auf das Erfolgskonto.”

Wer vor allem nach langer Zeit wieder Autofahren beginnen wolle, könne in einer Fahrschule mit einem Theorieauffrischungskurs starten und sich dann an erste Erfahrungen im Straßenverkehr trauen. Dann sei das wichtigste Dranbleiben und mindestens zwei Mal pro Woche ins Auto steigen – selbst wenn das nur kurz ist, kann man damit Gewohnheit und Sicherheit schaffen. “Es signalisiert dem Gehirn: ‚Ich bin Autofahrer:in!‘”, so Schwara.

Gemeinsam heilen

Betroffenen hilft – egal bei welcher Angst – oftmals zu verstehen, dass man mit den negativen Gefühlen nicht alleine ist. Wie die beiden Expertinnen hervorheben, sollte auch das Umfeld mit Verständnis mit der Fahrangst umgehen. Man könnte als Familie oder Freund:in beispielsweise anbieten Übungsfahrten zusammen zu machen, denn zu zweit unterwegs zu sein schafft einen Raum des Austauschs und der Sicherheit. Ein geduldiges “Gut gemacht” kann motivieren, genauso wie unterstützendes Feedback und Wertschätzung. Denn wie sagt man so schön: Zusammen ist man weniger allein – vor allem, wenn man sich eigenen Ängsten stellen muss.

Abo

Die TIROLERIN – immer mit dabei

×