
© Pavla Hartmanová
Wenn’s nach den Wettquoten geht, könnte JJ Österreich beim ESC am 17. Mai in Basel ganz nach vorne singen. Höchste Zeit, einen Blick hinter die Fassade des Favoriten zu werfen.
„Es ist eine unglaubliche Ehre, ganz oben mitzumischen.“ Dass JJ mit seiner ungewöhnlichen Mischung aus Oper und Pop gerade ganz vorne bei den Wettquoten des diesjährigen Eurovision Song Contests (ESC) mitmischt, scheint ihn weniger unter Druck zu setzen als zu motivieren. „Für mich zählt vor allem, authentisch zu bleiben und meine Kunst zu präsentieren“, sagt der 23-Jährige unaufgeregt, der mit bürgerlichem Namen Johannes Pietsch heißt und mit seiner glasklaren Countertenor-Stimme die klassische Musikwelt längst auf sich aufmerksam gemacht hat.
Geboren in Wien, aufgewachsen in Dubai, ist JJ heute fixer Bestandteil der Wiener Staatsoper und steht dort regelmäßig auf der Bühne. Neben seinen Auftritten verfeinert er sein Können an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, wo er den Bachelorstudiengang Sologesang absolviert. Und doch schlägt sein Herz nicht nur für Mozart und Verdi: Als langjähriger ESC-Fan träumte JJ schon früh davon, einmal selbst Teil des Spektakels zu sein. 2025 wird dieser Traum Wirklichkeit: JJ vertritt Österreich beim heurigen ESC in Basel.
Zwischen ESC-Vorbereitungen, Bühnenproben und Promo-Terminen hat er sich Zeit genommen, um mit uns über seine ESC-Reise zu sprechen, und erwähnt nebenbei, warum es durchaus sein kann, dass Meetings bei ihm auch mal ungewöhnliche Austragungsorte haben.
Wie hast du den Moment erlebt, als du erfahren hast, dass du Österreich beim ESC vertreten wirst?
JJ: Als ich davon erfuhr, war ich überwältigt von Freude. Der ESC war für mich immer ein Traum, besonders nach Conchitas Sieg 2014. Es ist eine riesige Ehre, Österreich zu vertreten, und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um meine Kunst und Identität zu zeigen.
Dein ESC-Traum begann also mit Conchita Wurst. Was genau hat dich damals gepackt?
Conchita inspiriert mich nicht nur wegen ihrer unglaublichen Stimme, sondern auch für das Statement, das sie mit ihrem Sieg setzte. Sie zeigt, dass der ESC eine Plattform für Vielfalt und Selbstakzeptanz ist.

Wie fühlt es sich an, jetzt selbst Teil des ESC zu sein, nachdem du früher ein Fan warst?
Als Zuschauer war der ESC immer ein faszinierendes Spektakel, aber jetzt als Teilnehmer fühle ich die ganze Energie der Bühne und die Verantwortung, Österreich zu repräsentieren. Es ist eine unglaubliche Erfahrung, die mich auf eine ganz neue Weise inspiriert.
Wie bereitest du dich auf den ESC vor und was können wir von deiner Performance erwarten?
Ich arbeite intensiv an meiner Bühnenperformance und bereite mich mental auf die Herausforderung vor. Für mich geht es dabei nicht nur um die Musik, sondern auch um die emotionale Verbindung zum Publikum. Meine Show wird eine Mischung aus klassischen und modernen Elementen sein – dynamisch, emotional und mit surrealen Aspekten, die die Stimmung des Songs verstärken. Licht und Bewegung werden dabei eine große Rolle spielen.
Was steckt hinter deinem ESC-Song „Wasted Love“?
Der Song spricht von Verlust und Enttäuschung in Beziehungen. Es geht um das Gefühl, viel zu investieren, aber am Ende nicht das zu bekommen, was man sich erhofft. Es ist ein sehr persönlicher Song, der gleichzeitig Schmerz und die Stärke widerspiegelt, sich von ungesunden Verbindungen zu lösen.
Bei großen Wettbewerben gibt es auch immer Kritiker:innen. Wie gehst du mit negativen Kommentaren um?
Kritik gehört dazu und ich versuche, sie als Teil des kreativen Prozesses zu sehen. Es ist wichtig, authentisch zu bleiben und sich nicht von negativen Stimmen entmutigen zu lassen. Kunst soll Menschen berühren und zum Nachdenken anregen.
Dein musikalischer Weg begann in der Klassik, jetzt kombinierst du Oper mit Pop. Wie kam es dazu?
Es war kein expliziter Plan, sondern eine natürliche Entwicklung. Durch meinen klassischen Hintergrund und meine Leidenschaft für moderne Musik habe ich eine Mischung aus beiden Welten gefunden, die mich als Künstler am besten widerspiegelt.
Du bist ein Perfektionist, trainierst täglich mehrere Stunden deine Stimme. Gibt es trotzdem ein „Guilty Pleasure“, bei dem du alle Disziplin über Bord wirfst?
Definitiv Essen! Ich bin ein Foodie durch und durch. Meine Mama ist eine unglaubliche Köchin und ich genieße das Essen sehr. Mich wird man nie bei einer Diät erwischen.

Gibt es eine Pop- oder Rock-Hymne, die du gerne mal in deiner Countertenor-Stimme singen würdest, auch wenn es vielleicht ein unerwartetes Match wäre?
Da ich ein großer Pop-Fan bin, gibt es wirklich viele Songs, die ich mir vorstellen könnte. Aber ich glaube, „Through the Fire“ von Chaka Khan würde mit einer Countertenor-Stimme richtig gut zur Geltung kommen!
Was gibt es abseits des Rampenlichts noch Kurioses über dich zu wissen?
Ich bin eigentlich ein offenes Buch, man weiß schon ziemlich viel über mich. Ich habe keinen Filter – manchmal mache ich sogar Meetings auf dem Klo und sage das dem Head of Delegation. Das Einzige, was wahrscheinlich noch nicht jeder weiß, ist meine Körpergröße. Aber die verrate ich vielleicht erst nach einem ESC-Sieg.
Hast du schon eine Vorstellung davon, wie deine Reise nach dem ESC aussehen könnte?
Nach dem ESC möchte ich definitiv meine musikalische Reise fortsetzen und ein Solo-Album in Angriff nehmen. Ich plane, weiterhin klassische Elemente mit modernen Klängen zu verbinden und auch visuelle Konzepte in meine Musik zu integrieren.
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Als Redakteurin der WIENERIN erkundet Laura Altenhofer gerne die neuesten Hotspots der Stadt. Besonders angetan hat es ihr jedoch die vielfältige Musikszene Wiens. Ob intime Clubkonzerte oder große Festivalbühnen – man findet sie meist dort, wo die Musik spielt.