PMDS: Eine Frau sitzt in Unterwäsche auf ihrem Bett und sieht auf die Seite.

PMDS: Wenn die Zeit vor der Periode zur psychischen Ausnahmesituation wird

Wie prämenstruelle dysphorische Störungen belasten können

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© Unsplash/ Craventure Media

Das prämenstruelle Syndrom, kurz PMS, ist wohl den meisten Menschen ein Begriff. Gereiztheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen – man kennt es. Betroffene von PMDS (prämenstruelle dysphorische Störung) fühlen sich im Gegensatz dazu den psychischen Belastungen vor der Periode vollkommen ausgeliefert. Sie können ihren Alltag kaum bewältigen oder ihre Gefühle steuern, bis der erste Tropfen Menstruationsblut Erleichterung bringt.

PMDS erkennen: Eigenrecherche notwendig

Betroffen sind etwa acht bis zehn Prozent aller menstruierenden Personen, weiß die Gynäkologin Dr. Jael Bosman, die sich auf PMDS spezialisiert hat. Die Dunkelziffer sei jedoch höher. In ihrer Praxis in Mistelbach empfängt sie Patient:innen aus ganz Österreich. „Viele wissen lange nichts von der Krankheit, bis sie zu recherchieren beginnen. Viele, die zu mir kommen, sind oft an einem Punkt der endlosen Verzweiflung angelangt“, weiß die Gynäkologin.

Die guten Nachrichten: PMDS kann durch verschiedene Behandlungsmethoden eingedämmt werden. Die Erkrankung bekommt zudem immer mehr Aufmerksamkeit – auch in der Wissenschaft. Die schlechten: Während der (Peri-)Menopause oder nach einer Geburt können sich die Symptome verschlechtern. „Menschen mit PMDS sind anfälliger dafür, eine Wochenbettdepression zu entwickeln“, erklärt Dr. Jael Bosman. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass Patient:innen über die Erkrankung Bescheid wissen, um frühzeitig reagieren zu können.“

Belastende Symptome

„Patient:innen mit PMDS sind grundsätzlich gesund“, so die Medizinerin. „Die Organe funktionieren gut und auch der Hormonhaushalt liegt mit wenigen Ausnahmen im Normbereich.“ Wichtig sei auch die Abgrenzung zu Depressionen, Angststörungen und PMS. Betroffene leiden bei PMDS an extremer Überempfindlichkeit: „Es handelt sich um ein Zwischenspiel von zyklisch schwankenden Sexualhormonen und einer Reaktion des Gehirns, das quasi ‚scharfgeschaltet‘ ist.“

Reize können dann nicht mehr in der Form verarbeitet werden, wie sie eigentlich sollten. Traurigkeit, Wut, Hoffnungslosigkeit, Angst oder auch Suizidgedanken stehen für Betroffene mindestens eine Woche an der Tagesordnung.

Die Diagnoseerstellung erfolgt durch das Gespräch. Das zeitlich abhängige und somit an den Zyklus gebundene Auftreten der Symptome sei ein Anhaltspunkt. „Wichtig ist auch das Ausschließen anderer Erkrankungen“, erklärt die Gynäkologin.

Bei PMDS-Betroffenen versucht man, das Serotonin stabil zwischen den Nervenzellen verweilen zu lassen

Dr. Jael Bosman

Bei PMDS spielt das Serotonin eine entscheidende Rolle. Es sorgt normalerweise für gute Stimmung und eine angemessene Stressbewältigung. Zyklisch verändert es sich grundsätzlich bei allen menstruierenden Menschen. Aber das Gehirn von Erkrankten geht anders mit Serotonin um als jenes von Nicht-Betroffenen. „Bei PMDS-Betroffenen versucht man, das Serotonin stabil zwischen den Nervenzellen verweilen zu lassen“, erklärt Dr. Jael Bosman.

Deshalb können Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, besser bekannt als Antidepressiva, in manchen Fällen Abhilfe schaffen. „Diese können nach neuesten Erkenntnissen auch nur einige Tage vor dem Einsetzen der Periode eingenommen werden.“ Sie verlangsamen den Abtransport und das Serotonin kann an seinem Wirkort länger verweilen.

PMDS-Behandlung

Auch die Pille gehört zu den Standardmethoden zur Behandlung von PDMS: „Hauptauslöser für PMDS sind die physiologischen Schwankungen der Sexualhormone. In der Praxis hat der Einsatz einer Kombi-Anti-Babypille bei vielen zu einer Linderung der Symptome geführt. Sie ist in den letzten Jahren sehr in Verruf geraten. Bei PMDS darf man sie als kleinen Helfer betrachten.“ Davor sollte man aber mögliche Kontraindikationen ausschließen – zum Beispiel ein erhöhtes Thromboserisiko oder die Neigung zu Migräne.

Auch eine ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen, insbesondere mit Vitamin D, sollte im Auge behalten werden, so die Ärztin. Eine Abstimmung zwischen Gynäkolog:innen und Psychiater:innen wäre außerdem wünschenswert. Die Realität sieht aber oft anders aus, denn viele aus den entsprechenden Fachbereichen haben von PMDS noch nie gehört. Die Vermutung, dass etwas nicht stimmt, motiviert viele zur Eigenrecherche im Internet.

Eine betroffene berichtet

So ging es auch der 41-jährigen Daniela Wolf, bei der die Krankheit 2013 diagnostiziert wurde. Mittlerweile coacht die Deutsche auch andere Betroffene, hat einen Verein und mehrere Selbsthilfegruppen gegründet, ein Buch über PMDS geschrieben und versorgt ihre Instagram-Community regelmäßig mit neuen Infos.

Schon als Teenagerin hatte Daniela Wolf zyklische Beschwerden, die sie zunächst als PMS einstufte. „Während der Schwangerschaft mit meinem ersten Sohn hat sich mein Wesen stark verändert,“ berichtet sie im Interview mit WIENERIN. Daraufhin begann sie zu recherchieren und stieß schließlich auf den Begriff PMDS. „Mein Arzt kannte die Erkrankung nicht.“ Im Zuge ihres Ärztemarathons machte sie immer wieder schlechte Erfahrungen. „Viele behandelten PMDS als psychische Erkrankung.“

Auch Daniela versuchte die Standardtherapie und nahm Antidepressiva oder die Pille – beides erzielte keine Erfolge: „Mir fehlte jemand, der diese Erkrankung ganzheitlich betrachtet“, sagt sie. „Es gibt meiner Meinung nach eine medizinische Versorgungslücke. Irgendwann habe ich beschlossen, mir selbst zu helfen.“

ganzheitlich behandeln

Nach einer Ernährungsumstellung, dem Überprüfen der Mikro- und Makronährstoffe, einem besseren Stressmanagement und mehr Bewegung ging es der zweifachen Mutter dann schließlich besser. Die ganzheitliche Lifestyle-Veränderung klingt aber meist leichter als sie ist, denn neben selbst finanzierten Tests und Supplements braucht es viel Wissen, Zeit und ein unterstützendes Umfeld, um diese Veränderungen auch wirklich umzusetzen. „Die Grundeinstellung, dass einem die eigene Gesundheit wirklich wichtig ist, spielt eine entscheidende Rolle. Man muss sich fragen, ob man im Leben wirklich die Dinge tut, die der Gesundheit helfen.“

Außerdem sei Stress ein großer Faktor: „Betroffene müssen Wege finden, Glückshormone zu fördern, Stress zu reduzieren, Pausen einzulegen und Bewegung in ihren Alltag zu integrieren“, so die Coachin. Für viele Menschen, insbesondere jene mit kleinen Kindern, ist das eine große Challenge. „Viele Betroffene sind emotional, aber auch finanziell am Limit“, sagt Daniela Wolf.

An PMDS-Erkrankte vereint vor allem die Schwere der Symptome: „Innerhalb einer Stunde kann sich der Zustand und die Stimmung komplett ändern. Wir haben keine Gewissheit oder Kontinuität, weil die Erkrankung jeden Monat anders zuschlagen kann“, erzählt sie. „PMDS hat Einfluss auf alle Lebensbereiche. Viele werden durch die Erkrankung arbeitsunfähig oder möchten sich von ihren Partner:innen trennen.“

Sie selbst hat mit zwei weiteren Diagnosen zu kämpfen: Hashimoto und ADHS, die das Auftreten der Symptome von PMDS begünstigen. Durch die individuelle Ausprägung der Krankheit gibt es keine maßgeschneiderten Therapiekonzepte, die bei allen die gewünschten Erfolge bringen. „Ich möchte meinen Klient:innen deshalb viel Wissen an die Hand geben, damit sie sich selbst besser helfen können“, so die Mentorin. „Ich selbst habe durch die Perimenopause oft sehr schlimme Tage, aber ich kann besser damit umgehen als noch vor einigen Jahren. Das wünsche ich mir für alle Betroffenen.“

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