Kuscheln auf Bestellung

Bianca Dorner ist seit mehr als einem Jahr als Kuscheltherapeutin tätig

5 Min.

© Unsplash/Ana Curcan

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich regelmäßige Berührungen positiv auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit auswirken. Wer niemanden zum Kuscheln hat, den nimmt Bianca Dorner in den Arm. Sie ist seit mehr als einem Jahr als Kuscheltherapeutin tätig.

Regelmäßige Kuscheleinheiten

Nach einem langen Arbeitstag, an einem gemütlichen Sonntag auf der Couch oder in Momenten, in denen uns alles über den Kopf zu wachsen scheint: Manchmal gibt es nichts, was so sehr beruhigt und aufbaut wie eine liebevolle Umarmung.

Die Hand eines geliebten Menschen zu halten, sanft über dessen Rücken zu streicheln oder das Kuscheln mit seinem Kind als tägliches Abendritual: Regelmäßige Berührungen wirken sich positiv auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit aus. 

Doch was tut man, wenn man niemanden hat, der einen in den Arm nimmt? Dann tritt Bianca Dorner (45) auf den Plan. Die diplomierte Krankenschwester aus St. Florian ist seit mehr als einem Jahr als Kuscheltherapeutin tätig (www.kuschel-therapie.at). Was sie dabei macht und wie eine Kuscheleinheit abläuft, erklärt sie in unserem Interview.

Kuscheltherapeutin Bianca Dorner © Privat

Kuscheln mit Regeln

Sie sind Kuscheltherapeutin. Können Sie mit jedem Menschen kuscheln?
Bianca Dorner: Ja, ich kann tatsächlich mit jedem Menschen kuscheln, der sich an die Regeln hält. Es ist wie eine Gabe, dass ich jeden so annehmen kann, wie er ist. Ich bewerte nicht und mache keinen Unterschied. Jeder Mensch, der zu mir kommt, ist in diesem Moment das Wichtigste für mich.

Wie lauten Ihre Regeln?
Gekuschelt wird immer angezogen, idealerweise in bequemer Kleidung. Und es dürfen keine sexuellen Absichten im Spiel sein. Das wird auch vorab in einem Vertrag unterschrieben und funktioniert bisher ohne Probleme. Meine Klienten sind sehr respektvoll und eher sogar vorsichtig, wie sie mich berühren dürfen. 

Wie läuft eine Kuscheleinheit bei Ihnen ab?
Das ist so individuell wie die Menschen selbst. Grundsätzlich dauert eine Einheit zwischen einer und drei Stunden – ganz, wie es gewünscht wird. Zuerst gibt es ein Vorgespräch, das etwa zehn Minuten dauert, und dann wird gekuschelt. Auch hier gibt es verschiedenste Möglichkeiten.

Manche Klienten haben anfangs eine gewisse Scheu oder Hemmungen, da reicht es oft schon, wenn ich ihre Hand halte. Andere möchten von mir in den Arm genommen und sanft gestreichelt werden. Und wieder andere wollen richtig geknuddelt werden (lacht).

Manche meiner Klienten entspannen beim Kuscheln mit mir so gut, dass sie sogar einschlafen.

Bianca Dorner

Wer kommt zu Ihnen?
Menschen, die einsam sind und denen es fehlt, von jemandem berührt zu werden. Zu meinen Klienten zählen nicht nur ältere Menschen, wie man vielleicht glauben würde. Zu mir kommen auch jüngere, denen zum Beispiel aufgrund der Pandemie dieser Entwicklungsschritt in der Pubertät fehlt und die nicht wissen, wie sie körperliche Nähe leben können.

Menschen mit Beeinträchtigung sind ebenso dabei wie Manager, die sich bei mir fallen lassen und Geborgenheit spüren können. Ich schenke ihnen Zeit, Wertschätzung und volle Aufmerksamkeit. Ich bin da und höre zu. Auch das ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit.

Kuscheln als menschliches Grundbedürfnis

Warum sind regelmäßige Berührungen und körperliche Nähe so wichtig für Menschen?
Berührt zu werden ist ein menschliches Grundbedürfnis. Dabei wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das sich positiv auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit auswirkt. Es senkt den Cortisol-Spiegel – ein Hormon, das bei Stress im Körper freigesetzt wird.

Regelmäßige Ausschüttung von Oxytocin wirkt entspannend und kann langfristig helfen, chronischen Stress abzubauen. Es senkt den Blutdruck, stärkt das Immunsystem und kann den Schlaf verbessern. Ich merke das auch bei meinen Klienten. Manche entspannen beim Kuscheln mit mir so gut, dass sie sogar einschlafen (lächelt). 

Kommen Sie auch zu Ihren Klienten nach Hause?
Grundsätzlich kommen die Klienten zu mir. Ich habe ein eigens dafür eingerichtetes und sehr gemütliches Kuschelzimmer. Für Menschen, die wegen Beeinträchtigungen oder psychischen Problemen nicht von zu Hause weg können, mache ich aber auch Hausbesuche. 

Gekuschelt wird immer angezogen und ohne sexuelle Absichten.

Bianca Dorner

Eine Stunde Kuscheln kostet bei Ihnen 80 Euro. Ist es nicht eigentlich eine traurige Entwicklung, dass man dafür bezahlen muss, um berührt zu werden?
Ja, das beschäftigt mich auch persönlich sehr. Ich finde, dass es eine erschreckende Entwicklung und auch ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft ist, dass es mich als Kuscheltherapeutin braucht.

Besonders seit der Pandemie sehen wir, dass die Menschen zunehmend vereinsamen. Umso wichtiger ist mir, meine Arbeit zu enttabuisieren und den Menschen die Scham zu nehmen, zu mir zu kommen. Der Bedarf ist groß, sonst wäre ich nicht bereits bis Ende des nächsten Monats ausgebucht.

Warum kuscheln so guttut

1. Stärkung emotionaler Bindungen: Berührungen, wie Umarmungen oder Streicheln, setzen Oxytocin frei, das so genannte Kuschel- oder Liebeshormon. Dadurch werden zwischenmenschliche Beziehungen und emotionale Bindungen gestärkt – sei es zwischen Partnern, Freunden oder Familienmitgliedern.

2. Stressabbau: Körperlicher Kontakt senkt nachweislich den Cortisol-Spiegel. Dieses Hormon wird bei Stress vom Körper freigesetzt. Berührungen helfen somit, Angstzustände und Anspannung zu reduzieren und fördern gleichzeitig ein Gefühl der Entspannung und des Wohlbefindens.

3. Förderung emotionaler Stabilität: Oxytocin trägt auch dazu bei, dass man sich emotional stabiler fühlt. Es fördert positive Gefühle, wie Geborgenheit und Zufriedenheit, und hilft, negative Emotionen, wie Angst oder Traurigkeit, zu lindern. Auf diese Weise kann es dazu beitragen, emotionale Krisen besser zu bewältigen.

4. Stärkung des Immunsystems: Regelmäßiger Körperkontakt stärkt auch das Immunsystem. Studien zeigen, dass Menschen, die mehr Berührungen und soziale Nähe erleben, eine bessere Immunabwehr aufweisen und seltener krank werden.

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