Vom Verstehen und Verstandenwerden
Warum wir uns oft missverstehen und wie echtes Verstehen sowie Verstandenwerden gelingen kann.
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Täglich senden und empfangen wir Botschaften – wir kommunizieren miteinander. Menschen möchten schließlich verstehen und auch verstanden werden. Wie aber gelingt es uns, das zu erreichen? Wie gelingt Zuhören, warum missverstehen wir uns manchmal und was hat aktives Zuhören mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun? Die Innsbrucker Psychologin und Psychotherapeutin Ursula Wilhelm hat mehr als 40 Jahre berufliche Erfahrung im Bereich Kommunikation. In ihrem neuen Buch „Die Brücke vom Verstehen zum Verstandenwerden“ erklärt sie anschaulich, wie echtes Verstehen gelingen kann.
Aktives Zuhören
Gleich zu Beginn betont Ursula Wilhelm, dass erfolgreiche Kommunikation auf Gegenseitigkeit beruht. Es geht also nicht nur darum, dass man seine eigenen Gedanken und Ideen klar ausdrücken kann, sondern auch darum, anderen zuzuhören und ihre Perspektive zu verstehen. Sie schreibt, dass man sich bemühen sollte, eine Brücke zwischen dem eigenen Verständnis und dem Verständnis des Gegenübers zu bauen. Das sei auch wichtig für die eigene Lebenszufriedenheit: „Sich verstanden zu fühlen, bedeutet, dass man sich im Alltag wohler und glücklicher fühlt“, schreibt die Autorin. Das sei auch der Grund, warum wir es vorziehen, mit Menschen zusammen zu sein, die unsere Ansichten teilen und ähnliche zwischenmenschliche Absichten haben. Beim aktiven Zuhören geht es laut der Autorin darum, dem:der Gesprächspartner:in die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken – der Blick aufs Smartphone während eines Gesprächs ist beispielsweise tabu. Aber auch das Stellen von gezielten Fragen sei wichtig, um das Gegenüber besser zu verstehen, sich auf das Gespräch einzulassen und Konflikte zu vermeiden. Nur so kann aktives und emphatisches Zuhören gelingen. Dabei geht sie auf zwei Techniken ein, die das aktive Zuhören erleichtern. Beim „Verbalisieren“ geht es darum, das Gesagte noch einmal zu wiederholen und durch Nachfragen zu verstehen: „Ob ich mit meinen Gedanken und Vermutungen richtig liege, kann ich überprüfen, indem ich nachfrage. Ich wiederhole und fasse mit eigenen Worten zusammen, was bei mir angekommen ist“, so die Autorin. „Eine weitere Technik ist das ‚Spiegeln‘. Dabei fasse ich in Worte, was der andere zunächst gar nicht richtig ausdrücken kann, weil es ihm vielleicht selbst noch nicht bewusst ist. Durch meine Worte schaffe ich die Möglichkeit, dass er sein eigenes Erleben besser versteht.“ Zweiteres werde auch in der Gesprächstherapie angewandt, um die Selbstexploration der Klient:innen zu verbessern.
Missverständnisse vermeiden
Vielleicht kennen Sie den berühmten Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ von Paul Watzlawick. Der Philosoph und Psychoanalytiker hat mit seiner Kommunikationstheorie unser Verständnis von Kommunikation radikal und nachhaltig verändert: Denn auch ohne Worte stehen wir jederzeit im Austausch mit unseren Mitmenschen – ob wir wollen oder nicht. Auch Ursula Wilhelm geht in ihrem Werk darauf ein, dass unsere Körpersprache oft mehr aussagt als unsere Worte. Sie empfiehlt deswegen aufmerksam auf die nonverbalen Signale der Gesprächspartner:innen zu achten sowie auch auf die eigene Körpersprache, um Missverständnisse zu vermeiden. „Bei der mündlichen Kommunikation übermitteln wir neben der sprachlichen Botschaft auch viele nonverbale Signale: durch Mimik, Gestik, Tonfall und Körpersprache“, schreibt die Autorin. „Stimmen diese mit dem Gesagten überein oder ist das Lächeln aufgesetzt? Lässt der Tonfall unterdrückte Wut durchscheinen oder ist das Interesse nur gespielt? Solche zusätzlichen Signale beeinflussen, wie wir das Gesagte aufnehmen und das Gehörte einordnen.“ Zuhören bedeute deshalb auch immer, aktiv dabei zu sein und mitzudenken.
Klarheit und Einfachheit
Was können wir nun also tun, um besser verstanden zu werden und welche Bedingungen verbessern unsere Verständigung? Hier rückt die Autorin Klarheit und Einfachheit in den Fokus. Denn oftmals führen komplizierte oder abstrakte Formulierungen zu Missverständnissen und Unklarheiten. Sie empfiehlt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und klare, präzise Aussagen zu machen. „Bereits auf der Sachebene gilt es, möglichst unmissverständlich zu formulieren. Es ist wichtig, dass der:die Sender:in eindeutige Signale sendet, sodass man das Gesagte ohne großen Aufwand verstehen kann“, schreibt die Psychologin. Auch Feedback ist ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation. Es hilft uns, unsere Stärken und Schwächen zu erkennen und unsere Kommunikation zu verbessern. Dabei sollte in Gesprächen darauf geachtet werden, dass es vor allem ehrlich und konstruktiv ist. Sich auf das Verhalten oder die Situation zu konzentrieren, hilft gleichzeitig zu vermeiden, persönliche Angriffe zu machen. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man sagt: „Du bist total egozentrisch, immer redest du nur von dir!“ oder aber „Ich habe das Gefühl, du interessierst dich nicht für mich, wenn du mich ständig unterbrichst.“
Offenheit und Wertschätzung
Auch Offenheit und Wertschätzung sind entscheidende Faktoren für erfolgreiche Kommunikation, schreibt Ursula Wilhelm. Die Bemühung, anderen offen und ohne Vorurteile zu begegnen sowie ihre Meinungen und Ansichten zu respektieren, ist ein entscheidender Faktor, um erfolgreich kommunizieren zu können. Denn nur wer Wertschätzung und Verständnis für die eigenen Gesprächspartner:innen zeigt, kann eine positive und produktive Kommunikation aufbauen. Das sei vor allem bei interkultureller Kommunikation relevant: „Interkulturelle Kommunikation ist nicht einfach. Wie gelingt es mir, mich in die Denk- und Erfahrungswelt des Gegenübers hineinzuversetzen und so einen fruchtbaren Austausch zustande zu bringen? Voraussetzung ist zunächst die Bereitschaft, der anderen Person mit Respekt zu begegnen und offen zu bleiben für ihr Anliegen.“ Bevor das für einen Fremde jedoch als Bereicherung erlebt wird, muss man sich seiner selbst bewusst werden, schreibt die Autorin: „Je unsicherer wir in unserer eigenen Identität sind, umso stärker ist unser Bedürfnis nach Abgrenzung. Eine sichere Identität dagegen ermöglicht Offenheit gegenüber fremden Menschen.“ Generell sei die mangelnde Fähigkeit des Perspektivenwechsels, also das Sichhineinversetzen in andere, ein Grund dafür, warum Verstehen manchmal nicht möglich ist. „Eine Ärztin versteht beispielsweise nicht, wenn ihr Patient von seinen Schmerzen spricht. Sie hat vielleicht theoretisch eine Vorstellung davon, kann die Gefühle jedoch nicht nachvollziehen.“ Auch Empathie sei deswegen ein wichtiger Faktor, um andere richtig verstehen zu können. Deswegen sei es vor allem wichtig, seinem Gegenüber mit Empathie zu begegnen, schreibt Ursula Wilhelm: „Nach Carl Rogers, dem Begründer der Personenzentrierten Psychotherapie, bedeutet Empathie, in die Wahrnehmungswelt des anderen eintreten zu können.“ Insgesamt betont das Buch „Die Brücke vom Verstehen zum Verstandenwerden“ die besondere Bedeutung von Empathie, Offenheit und Klarheit bei der Kommunikation. Indem wir gezielte Fragen stellen, ehrliches Feedback geben, Wertschätzung zeigen und Konflikte konstruktiv lösen, können wir eine erfolgreiche und produktive Kommunikation aufbauen und somit auch besser verstanden werden: „Das Gelingen eines Gesprächs hängt, wie beschrieben, von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Auch die Auswirkungen auf unser Wohlbefinden, auf unser Selbstbewusstsein, auf unsere Beziehungen sind erheblich“, schreibt sie abschließend. Jede: r sei dabei herzlich eingeladen, mit ihrem Buch nachzuspüren, welche Bedeutung gute Gespräche haben – für einen selbst und für andere.
Zum Nachlesen:
„Die Brücke vom Verstehen zum Verstandenwerden“ von Ursula Wilhelm. 16,50 Euro, Bucher Verlag, 2022. ISBN: 978-3-99018-637-4